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Genossenschaft als Marktwirtschaft-Moderator

Von Holger Blisse

Recht

Der Gesetzgeber bekennt sich klar dazu, dass die Gründung einer Genossenschaft auf Dauer wirken soll.


In vielen Bereichen kommt es zu Unternehmensgründungen. Die registrierte respektive eingetragene Genossenschaft (eG) ist dabei eine wählbare Organisations- und Rechtsform. Eines ihrer besonderen Kennzeichen gerade bei Gründungen, die von vielen Personen getragen werden, liegt in dem jederzeit möglichen Ein- aber auch - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist - Austritt als Eigentümer (Mitglied).

Als Aktionär oder GmbH-Gesellschafter kann man sich im Falle einer günstigen Entwicklung des Unternehmens von seiner Beteiligung durch Verkauf trennen und vergleichsweise leicht einen Vermögenszuwachs realisieren. Bei Genossenschaften ist die Mitgliedschaft höchstpersönlich. Hinter die förderwirtschaftliche Ausrichtung treten Gewinnerzielungsabsicht und Vermögensteilhabe zurück. Gleichwohl schütten in der Praxis erfolgreiche Genossenschaften eine Dividende oder auch Rückvergütung an ihre Mitglieder aus.

Am Ende einer Mitgliedschaft findet eine direkte Auseinandersetzung mit der Genossenschaft statt: Dabei erhalten Mitglieder (oder deren Erben) das Geschäftsguthaben ausgezahlt, sie haben aber grundsätzlich "an den Reservefond und an das sonst vorhandene Vermögen der Genossenschaft keinen Anspruch" (§§ 55 Abs. 3 bzw. 79 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz, GenG); es sei denn, der Genossenschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.

Diese gestaltbare Regelung stellt im gesetzlichen Normalfalle eine Schutznorm dar, deren die vermögensrechtliche Einheit der Genossenschaft als Ganzes verpflichtender (sozialer) Charakter in der Gegenwart aber zu wenig beachtet wird. Denn Genossenschaften wie die Raiffeisen- und Volksbanken, aber auch ländliche Genossenschaften, Wohnungsbaugenossenschaften oder überhaupt gemeinnützige Bauvereinigungen haben über Jahrzehnte ihr Vermögen aufgebaut. So ist im Zeitverlauf ein ansehnliches Vermögen mit "sozialem Potenzial" entstanden. Daher können Genossenschaften eine immer weiter - mit oder ohne Gemeinwohl-Orientierung - zunehmende Markt- und Wettbewerbswirtschaft moderieren.

Allerdings hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit in eine entgegengesetzte Richtung gewirkt: Speziell Kreditinstituten in der Rechtsform der Genossenschaft, aber auch Sparkassen und Landes-Hypothekenbanken bietet § 92 Bankwesengesetz (BWG, zuvor § 8a Kreditwesengesetz, KWG) die Umgründung in eine Aktiengesellschaft an und nähert diese regional tätigen Institute einem einheitlichen Typ einer Regionalbank-AG an. Dies mag wettbewerbspolitisch teilweise nachvollziehbar sein. Eine rechtliche Monostruktur ist aber ordnungspolitisch nicht unproblematisch, wie die Erfahrungen zum Beispiel bei der - aus einer Raiffeisenbank umgegründeten - Commerzialbank Mattersburg AG belegen.

Rückkehr zu empfehlen?

Daher wäre zu prüfen, ob § 92 BWG eher entfallen sollte und bereits umgewandelten Instituten eine Rückkehr zu empfehlen ist. So entstand in der Praxis bereits aus der Volksbank Beteiligungsclub Kärnten eGen im Wege der verschmelzenden Umwandlung mit der Volksbank Gewerbe- und Handelsbank Kärnten AG die Volksbank Gewerbe- und Handelsbank Kärnten eGen (2013), die weitere Kreditgenossenschaften aufnahm und seit 2016 als Volksbank Kärnten eG firmiert.

In allen Bankensektoren hat die Zahl der Fusionen zugenommen. Damit entstehen größere Einheiten. Bei Genossenschaften ist eine Verschmelzung (Fusion) vermögensrechtlich aber vor allem förderwirtschaftlich so lange unproblematisch, wie die genossenschaftliche Ausrichtung und Rechtsform erhalten bleiben. Kommt es zu einem Rechtsformwechsel oder zur Verschmelzung mit übergeordneten Kreditinstituten in der Rechtsform der AG innerhalb eines mehrstufigen genossenschaftlichen Verbundes, etwa mit Instituten auf regionaler Ebene bis hin zur nationalen - möglicherweise börsennotierten - Spitze dieser Genossenschaftsorganisation, dann wird das über Generationen in den Dienst der Genossenschaft gestellte Vermögen verlagert. Das genossenschaftliche Vermögen wird in der AG individualisiert und handelbar und ist damit grundsätzlich der Verwertung am Kapitalmarkt (Börse) zugänglich gemacht worden.

Die heutigen Entscheidungsträger tragen damit dazu bei, dass genossenschaftsfremde Dritte die über Generationen verzichtenden Mitglieder "beerben". Diese werden zu einem großen Teil und teils ohne ihr Wissen und ohne Zustimmung um die soziale Funktionsweise der Genossenschaft in der Gegenwart und für die Zukunft gebracht.

Fraglich ist, ob dies im Interesse der Gründer der Genossenschaft gelegen hat. Leider hinterließen sie kein Testament, haben aber doch in gutem Glauben auf den Fortbestand ihrer Genossenschaft und die Geltung der Schutznorm vertraut. Dieses Vertrauen gilt es, auch mit Unterstützung des nationalen und europäischen Gesetzgebers, zu erhalten respektive wiederherzustellen.

Bekenntnis des Gesetzgebers

Daher wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine erleichterte Rückkehr in die Genossenschaft für Institute vorsehen würde, die sich nach § 8a KWG respektive § 92 BWG umgegründet hatten. Generell ist schon den Gründungsmitgliedern von Genossenschaften zu empfehlen, eine Verfügung über den Fortbestand als Genossenschaft zu treffen, zum Beispiel durch den Ausschluss von Vermögensübertragungen. Das Genossenschaftsgesetz hält einen sehr weitreichenden vermögensrechtlichen Gestaltungsspielraum - auch zugunsten der Mitglieder - bereit.

Demzufolge handelt es sich beim Fehlen einer allgemeinen Umwandlungsmöglichkeit aus der Genossenschaft zum Beispiel in die Aktiengesellschaft um keine rechtliche Lücke, sondern vielmehr um das klare Bekenntnis des Gesetzgebers, dass die Gründung einer Genossenschaft auf Dauer - über Generationen - wirken soll(te).

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