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Warum es eine Pensionsreform braucht

Von Marcell Göttert

Gastkommentare
Marcell Göttert ist Ökonom bei der Agenda Austria und dort zuständig für öffentliche Finanzen.
© Elke Mayr

Die Schieflage des Pensionssystems in Österreich wird immer deutlicher.


Der Staat hat im vergangenen Jahr mehr Geld ausgegeben, als er eingenommen hat. Das ist keine Überraschung. Denn unabhängig von Corona hat der Staat seit 1980 durchschnittlich mit einem Minus von 6 Milliarden Euro pro Jahr abgeschlossen. Nur zweimal (2018 und 2019) konnte ein Überschuss erwirtschaftet werden. Das Plus ist wichtig, damit der Staat in Krisenzeiten rasch handeln kann. Deshalb sollte er in wirtschaftlich guten Zeiten mit Budgetüberschüssen ein entsprechendes Polster aufbauen. Dieses Polster wurde durch die Pandemie mehr als aufgelöst.

So sind im vergangenen Jahr die Staatsausgaben sprunghaft um 25 Milliarden Euro auf den Rekordwert von 217 Milliarden Euro angestiegen. Durch die diversen Corona-Hilfen wie Umsatzersatz, Fixkostenzuschuss und die großzügige Kurzarbeiterregelung sind die Ausgaben für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik explodiert. 2019 nahm der Staat für diese Posten 6 Milliarden Euro in die Hand, im Corona-Jahr 2020 haben sich die Ausgaben mit 20 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Das ist ungefähr jene Summe, die der Staat jährlich (!) braucht, um die Lücke zwischen Ein- und Auszahlungen im Pensionssystem zu schließen.

Ob wir uns Corona überhaupt leisten können, wird trefflich diskutiert. Beim Pensionssystem bleibt diese Debatte aus. Rund 50 Milliarden Euro wurden für den Corona-Schutzschirm veranschlagt. So viel wird alle zwei Jahre in die staatliche Altersvorsorge gesteckt. Niemanden scheint das zu kümmern. Der deutliche Anstieg der Pensionszahlungen stellt hierzulande aber keine Ausnahme dar, sondern die Regel. Die Gesamtausgaben für die Pensionen haben sich gegenüber 1980 von 10 Milliarden Euro bis heute auf rund 60 Milliarden Euro versechsfacht. Im selben Zeitraum hat sich unsere Wirtschaftsleistung aber nur knapp verfünffacht.

Die besondere Tragweite wird erst deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Pensionsauszahlungen von Anfang an die Einnahmen übertroffen haben. Wenig verwunderlich ist diese Schere im Zeitverlauf immer weiter auseinandergegangen. Im heurigen Jahr wird die Differenz fast 25 Milliarden Euro betragen. Durch die steigende Lebenserwartung und den demografischen Wandel wird sich diese Lücke noch weiter vergrößern. Bereits heute gehen die ersten Jahrgänge der Babyboomer-Generation in Pension. Bis 2035 werden rund zwei Millionen Menschen in Österreich das pensionsfähige Alter erreichen.

Seit Jahrzehnten werden in Österreich keine Fortschritte erzielt, die Schieflage des Systems wird immer deutlicher.

Beim gesetzlichen Antrittsalter die steigende Lebenserwartung zu berücksichtigen, ist für die Politik dennoch kein Thema. Das Pensionsantrittsalter sollte ab sofort jedes Jahr zumindest um zwei Monate angehoben werden, bis ein Antrittsalter von 67 Jahren erreicht ist. Die Tatsache, dass der Staat mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, hat in Österreich leider eine lange Tradition. Die Stellschraube, um dem entgegenzuwirken, wäre eine Abkehr von den deutlichen Pensionserhöhungen der Vergangenheit. So bliebe die Handlungsfähigkeit des österreichischen Staats auch für die nächste Krise gesichert.