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Steigt die Gefahr einer grünen Blase?

Von Sébastien Thévoux-Chabuel

Gastkommentare
Sébastien Thévoux-Chabuel ist ESG-Analyst und Portfoliomanager bei Comgest, einer internationalen Boutique für Investments in Aktien der Industrie- und Schwellenländer, die zu 100 Prozent im Besitz der Mitarbeiter und Firmengründer ist.
© Comgest

Die Investition in Trends ist nicht der beste Weg.


Das Bewusstsein für den Klimawandel ist in der Gesellschaft und auf den Kapitalmärkten längst angekommen. Die Nachfrage nach grünen Anlageinstrumenten steigt, auch durch entsprechende regulatorische Vorgaben. Nur auf grüne Anlagen zu setzen, kann allerdings sehr gefährlich werden. Es gibt auch andere langfristige Wege, wie Investoren zur Dekarbonisierung beitragen können. Kurzfristig ist eine spekulative Blase bei grünen Aktien nicht auszuschließen. Darauf deutet die Entwicklung von Indizes wie dem MSCI World Environment oder ETFs wie dem iShares Global Clean Energy hin. Grüne Branche sind hier selbstverständlich reichlich vertreten - etwa in Form von Elektromobilität, erneuerbaren Energien und nicht zuletzt Wasserstoff. Gleichzeitig sind die meisten grünen Unternehmen jung - selbst Tesla ist noch keine 20 Jahre alt - und befinden sich teilweise noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

Es gibt deshalb einige kritische Punkte. An dieser Stelle sei auf die Dotcom-Blase des Jahres 2000 verwiesen: Viele Investoren hatten bereits damals erkannt, welches Potenzial im Internet steckte. Allerdings waren sie ihrer Zeit um gut fünf bis zehn Jahre voraus, weil weder die Infrastruktur noch die Verbraucher für diese neue Technologie bereit waren. Was wäre also, würde die heutige grüne Welle genauso enden?

Die Investition in Trends ist nicht der beste Weg. Ein Bottom-up-getriebener Investmentansatz, der darin besteht, die mögliche Rendite und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auf einer unternehmensbezogenen Basis zu bewerten, scheint die bessere Wahl zu sein. Dieses Vorgehen führt auch dazu, dass wir eher in Old-Economy-Akteure mit einer langen Innovationsgeschichte investieren, die in der Lage sind, Lösungen für die Reduktion des CO2-Fußabdrucks zu bieten. Zusätzlich sollten Fondsgesellschaften aber auch von ihrem nicht unerheblichen Einfluss Gebrauch machen und durch einen konstruktiven Dialog mit den Unternehmen Verbesserungen anregen.

So ist die Wahrnehmung des Stimmrechts eine der wichtigsten und zentralen Aufgaben eines Anteilseigners. Dabei geht es nicht um einen moralisch erhobenen Zeigefinger, sondern um einen langfristig angelegten, konstruktiven Dialog, um Bewusstsein zu schaffen und Verhaltensweisen langfristig zu ändern. Beispielsweise begann Inner Mongolia Yili, der führende Hersteller von Molkereiprodukten in China, im Jahr 2016 mit einer Strategie zur Reduktion seines CO2-Fußabdrucks, nachdem wir als langfristiger Anteilseigner und im ständigen Austausch mit dem Unternehmen stehend einen Best-Practice-Vergleich mit dem Wettbewerber Nestlé im Bereich des Umweltschutzes initiiert hatten.

Gleichzeitig sind wir der festen Überzeugung, dass sich insbesondere im Kollektiv einiges bewegen lässt. So startete vergangenes Jahr eine Gruppe von 29 Investoren, die insgesamt ein Vermögen von 3,7 Billionen US-Dollar verwalten, die erste Anlegerinitiative gegen die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien. Der Beitrag von Investoren zum Klimaschutz ist eine Aufgabe auf Zeit, die langen Atem und eine klare Vision erfordert. Eine Lösung auf Knopfdruck gibt es nicht - auch wenn das angesichts des Booms von grünen Aktien an der Börse zeitweise so scheinen mag.