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Auch das 1-2-3-Ticket muss evaluiert werden

Von Walter Kühner

Gastkommentare
Walter Kühner war Mitgründer des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) und ist unabhängiger Tarifexperte.
© privat

Die 1-2-3-Zahlenmagie geht an der Realität vorbei. Flatrates für Fernpendler schön und gut, aber sie sind wenig attraktiv für alle anderen.


365 Euro für ein Bundesland, 730 Euro für zwei, 1.095 Euro für ganz Österreich: Das war das Ziel des 1-2-3-Tickets. Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass es die 1er- und 2er-Stufe um diesen Preis für Flächenbundesländer nie geben wird, weil die Kosten von Verkehrsministerin Leonore Gewessler völlig unterschätzt worden sind. Vorerst soll bekanntlich nur die österreichweite 3er-Stufe realisiert werden. Dabei würden viele Jahreskarten-Inhaber auf die 3er-Stufe umsteigen, da Verbund-Jahreskarten zum Teil weitaus teurer sind. Das hätte aber starke Einnahmeneinbußen für die Verkehrsverbünde zur Folge, die aus der Einnahmenverteilung der 3er-Stufe keineswegs wettgemacht würden.

Um dem gegenzusteuern, planen die Steiermark und Oberösterreich, denen die Zustimmung zur 3er-Stufe mit einer Beteiligung beim Ausbau der Bahninfrastruktur abgekauft wurde, bundeslandweite Jahreskarten, wobei von einem Preis zwischen 500 und 700 Euro die Rede ist und diese Einnahmen dann zur Gänze dem Verkehrsverbund zufließen sollen.

In der Ostregion spießt es sich allerdings: Um Niederösterreich und das Burgenland für Wien-Pendler gleichzustellen, sollen beide Bundesländer zusammengefasst werden und neben Wien die 1er-Stufe bilden, die 2er-Stufe soll alle drei Bundesländer umfassen, so der Vorschlag des Verkehrsverbunds Ost-Region (VOR). Dem Vernehmen nach soll der Preis für die Niederösterreich-Burgenland-Jahreskarte zwischen 500 und 600 Euro liegen, jener für alle drei Bundesländer zwischen 800 und 900 Euro. Die Krux dabei: Einerseits wurde die finanzielle Abgeltung durch den Bund bisher verweigert, andererseits stellt sich die Frage, ob der Preis der 2er-Stufe ausreichend weit unter 1.095 Euro liegt. Ein doppeltes Dilemma.

An die Wien-Pendler wurde gedacht. Aber was ist mit allen anderen, die ins Nachbarbundesland pendeln? Für viele wird es mit der 3er-Stufe nicht billiger werden - und für jene, die nur kurze Strecken pendeln, auch nicht. Dass eine Jahreskarte um 365 Euro für ein großes Flächenbundesland unrealistisch ist, muss jedem mit der Materie Vertrauten klar gewesen sein. Die kolportierten Bundeslandpreise bringen Pendlern zum Teil eine erhebliche Verbilligung. Für alle billiger würde es mit einem Regionenmodell nach Salzburger Vorbild, das bei 365 Euro für eine Region (Weinviertel, Waldviertel, Mühlviertel etc.) starten und in 50- bis 100-Euro-Schritten um Nachbarregionen (auch im Nachbarbundesland) erweitert werden könnte. Wien plus eine Nachbargemeinde würde dann 626 Euro kosten - so wie derzeit auch schon. Im Regionenmodell könnte Wien samt ringförmigem Umland von 20 Kilometern 465 Euro kosten.

Die 1-2-3-Zahlenmagie geht an der Realität vorbei. Flatrates für Fernpendler schön und gut, aber sie sind wenig attraktiv für alle anderen. Günstige Preise für alle (auch Einzelfahrten) sind entscheidend für die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs. Auf den richtigen Tarifmix kommt es an.