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Bayern

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Deutschland ist mehr als der Freistaat im Süden - aus österreichischer Sicht auch?


Gerade rechtzeitig zu den Sommerferien erschien in einer österreichischen Tageszeitung ein Artikel über schöne Reiseziele in Deutschland. Besonders interessant war der Text natürlich für mich, weil das Werben fürs eigene Land zu den ehrenvollsten Botschafterpflichten zählt. Während ich gut gelaunt durch die Fotos der Onlineausgabe klickte, fiel mir die relative Häufigkeit von Motiven aus einem einzelnen Bundesland auf. Sie ahnen es: Bayern.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Der Freistaat Bayern ist wunderschön, mit Städten wie Regensburg, Passau, Bamberg, aber auch mit dem Berchtesgadener Land, Taubertal und Donaudurchbruch, um nur einige meiner Favoriten zu nennen. Aber Deutschland ist doch mehr als Bayern. Oder? Seitdem ich in Österreich bin, verfolgt mich diese Frage. Der "Weißwurstäquator" entlang des Main war für mich seit Kindertagen die Grenze in eine ferne Welt im Süden, in der Menschen Lederhosen trugen und Weißbier tranken. Wie wichtig andersherum diese Grenze nach Norden für die österreichische Sicht auf Deutschland ist, wurde mir hingegen erst langsam klar.

Viele Österreicher kennen Deutschland gut, aber Bayern meistens besser. Der österreichische Blick wirkt erstaunlich fest auf den Freistaat geheftet, und das mit gewisser Sympathie: Sprache und Bräuche, Speisen und Landschaft sind zwar anders, aber nicht so krass anders wie im Rest von Deutschland, wo die Menschen Labskaus, Marzipan und Pfefferpothast essen.

Natürlich ist es aus österreichischer Sicht vernünftig, sich auf Bayern zu konzentrieren. Eigentlich ist vor allem Bayern das Nachbarland. Als einziges deutsches Bundesland hat es überhaupt eine Landgrenze zu Österreich. Der Löwenanteil des Handels zwischen unseren Ländern ist bayerisch-österreichisch, beim Tourismus ist es auch so. Bruno Kreisky hat einmal gesagt, er fahre am liebsten nach Bayern in den Urlaub, weil er dort "nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland" sei. Viele Bayern würden ihm da vermutlich nicht widersprechen.

Als Botschafter wünsche ich mir natürlich, dass sich noch mehr Österreicher tiefer ins restliche Deutschland vorwagen würden - warum nicht sogar in die Lüneburger Heide? Aber widersprechen würde ich dem Bundeskanzler auch nicht, denn eine gewisse Sonderrolle Bayerns kann auch ich nicht leugnen. Wir Deutsche erleben es schließlich genauso. Wenn ich etwa auf sprachliche Unterschiede in Österreich zu sprechen komme, sagen bayerische Freunde oft: Bei uns sagt man das aber genauso. Worauf ich mir denke: Eh. Bayern halt.