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Der pannonische Fürst und die Großstadtpflanze

Von Gerfried Sperl

Gastkommentare

Der brutale Machtkampf in der SPÖ hat zwei zusätzliche Aspekte: Eine Frau wie Rendi-Wagner gibt nicht so schnell auf. Doskozil will die Basisgefühle in der Politik stärken.


Für die Neos wäre es das ideale Setting gewesen, für die Sozialdemokraten war es das nicht: Die Journalistin Manuela Raidl von Puls 24 plaudert mit Pamela Rendi-Wagner im Schönbrunner Palmenhaus. Ein strategisch denkender Berater hätte das ablehnen müssen. Die SPÖ-Chefin hätte im Simmeringer Industriegelände platziert werden müssen.

Doch welchen Wert hat Strategie in der SPÖ überhaupt noch, wenn die meisten ihrer Führungsleute nicht einmal wissen, welche politischen Ziele sie in den Blick nehmen sollte? Ihre Chefin aus dem Wiener Gemeindebau hat außerdem einen untypischen Karriereweg hinter sich. Sie ist weder in der Wiener Stadtverwaltung groß geworden noch im Gemeindewohnbau. Da wäre ihr alles offengestanden. Aber so?

Rendi-Wagner hat endlichdoch Zähne gezeigt

Eine Medizinwissenschafterin, in England sozialisiert? Allein, in ihrer Sprache ist der Wiener Schmäh nicht mehr präsent. Und der burgenländische sowieso nicht, vom tirolerischen ganz zu schweigen. Das ginge gar nicht, sie ist keine Schauspielerin. Rendi-Wagner hat aber auch politisch ihr Potenzial nicht ausgeschöpft. Sie hat es verabsäumt, in der Corona-Krise ihr medizinisches Fachwissen auszuspielen - vielleicht auch deshalb, weil sie nie praktizierende Ärztin war. Und sie hat es nie geschafft, kantig zu sein.

Endlich hat sie jedoch Zähne gezeigt. Als der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die derzeitige SPÖ mit der einstigen ÖVP unter Reinhold Mitterlehner verglich, konterte Rendi-Wagner mit einer Replik auf den kurzen Machtkampf in der FPÖ, als Herbert Kickl den Noch-Parteichef Norbert Hofer "gemobbt hatte". Doskozil, sichtlich getroffen, reagierte "beleidigt". Daraufhin organisierte der Kärntner Landeshauptmann ein Treffen der beiden in Wolfsberg im Lavanttal, das den Konflikt etwas entspannte, einer Lösung aber nicht näher brachte. Was sind seine Kernpunkte?

Die Flüchtlingsfrage: Da ist Doskozil eher auf der Seite von FPÖ und ÖVP. Will heißen: Keine Flüchtlinge hereinlassen. Was der Mediendebatte entgangen ist: Die Meinung der großen Mehrheit der ÖGB-Mitglieder deckt sich mit jener Doskozils, Rendi-Wagners "grüner Kurs" ist in der Minderheit, wenn auch ähnlich der Haltung von katholischer Caritas und evangelischer Diakonie.

Soziale Fragen: Doskozil hat starke Maßnahmen für das Burgenland gesetzt. Vor allem die Landesanstellung von Familienmitgliedern, die sich ganztägig der Betreuung von Pflegefällen widmen, hat andere Bundesländer zur Nachahmung aufgerufen.

Gehaltsfragen: Das Auseinanderklaffen von Männer- und Frauengehältern vor allem in der Privatwirtschaft hat Doskozil mit der Einführung eines Mindestlohns für Landesangestellte beantwortet.

Doskozil will als ein Handlungslinker gelten

Die Politik des burgenländischen Landeshauptmanns und SPÖ-Landesparteichefs entspricht auch einer Haltung, die der Schriftsteller Josef Haslinger schon Ende der 1970er Jahre in einem vielgelesenen Buch die "Politik der Gefühle" genannt hat. Empathie - das fehlt Rendi-Wagner.

In einem Beitrag in der "Süddeutschen Zeitung" hat deren ehemaliger Chefredakteur Kurt Kister das Gefühlsthema wieder aufgegriffen. Und die Macht über die Gefühlswelt der Deutschen den Grünen zugeschrieben. Die SPD habe dafür kein Feeling. Dasselbe gilt wohl auch für die SPÖ, obwohl eine Frau an ihrer Spitze steht.

Der pannonische Politiker möchte stärker bei den Gemütslagen der sozialdemokratischen Basis sein. Und gleichzeitig als ein Handlungslinker gelten. Das hat ihm schließlich auch die absolute Mehrheit im Burgenland gebracht. Dass sich Doskozil zum Demokratieabbau im Nachbarland Ungarn nicht äußert, ist begründbar, weil das Thema Bundessache ist. Den Sozialdemokraten müsste Viktor Orbans Hang zum Autoritären aber sauer aufstoßen.

Der Machtkampf ist nachdem Treffen nicht zu Ende

Obwohl Doskozil jetzt nach dem Wolfsberger Treffen Mäßigung gelobt hat, ist der Machtkampf zwischen ihm und Rendi-Wagner nicht zu Ende. Ein Vergleich trotz der verschiedenen Größenordnungen sei erlaubt: In den 1970er Jahren kritisierte der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Franz Josef Strauss so lange die CDU, bis man ihm die Kanzlerkandidatur im Jahre 1980 gegen Helmut Schmidt überließ. Strauss verlor krachend, erholte sich politisch nicht mehr.

Die SPÖ sollte die Kanzlerkandidatur des Jahres 2022 dem pannonischen Fürsten überlassen, damit das Bundesvolk entscheidet, wer für die sozialdemokratische Partei und ihre Zukunft wichtiger ist: Doskozil oder die Großstadtpflanze.