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Wenn der Klimawandel die Weltpolitik trifft

Von Peter De Coensel

Gastkommentare

Fiskalische und monetäre Klimapolitik sollten einander gegenseitig verstärken.


Die UN-Klimakonferenz in Glasgow im November wird ein Moment in der Geschichte sein, den die politische Führung nutzen sollte, um eine sofortige Kehrtwende bei den CO2-Emissionen durchzusetzen. Die Zeit der Kaffeekränzchen ist vorbei, jetzt heißt es Umsetzen! Fiskalische und monetäre klimapolitische Maßnahmen werden sich mit traditionellen fiskalischen und monetären Strategien vermischen. In den gegenwärtigen Reaktionsfunktionen der Zentralbanken werden Aspekte der Klimaanpassung Berücksichtigung finden. Das entsprechende Research steht noch am Anfang, sollte aber Beachtung finden.

Die fiskalpolitischen Bestrebungen auf supranationaler Ebene zeigen die Bereitschaft und die hohen Ambitionen. Allerdings wird auf nationaler Ebene eine ähnliche Einschätzung für die Dringlichkeit erforderlich sein, um bis 2030 die Trendwende zu erreichen. Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ist wertvolle Zeit verloren gegangen, da die USA die globalen Anstrengungen zwischen 2016 und 2020 blockiert haben.

Die EU-Kommission hat das Programm "Fit for 55" angekündigt, mit dem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden sollen, wobei das Jahr 1990 als Basis dient. Bis 2019 hatte die EU ihre Emissionen bereits um 24 Prozent gegenüber 1990 gesenkt. Somit würde der Plan eine weitere Senkung um 31 Prozent in den nächsten neun Jahren bedeuten. Vorgeschlagen werden zwölf Maßnahmen, die auf die Bereiche Energie, Industrie, Verkehr und Gebäudeheizung abzielen.

Bisherige Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus

Industrie und Haushalte werden ermutigt, auf einen grüneren Energiemix umzusteigen. Dazu zählt ein weltweit einzigartiges Grenzzollsystem, das Importe von CO2-emissionsintensiven Gütern wie Stahl und Zement, die außerhalb der EU produziert werden, besteuert. Die Verhandlungen werden mindestens zwei Jahre dauern. Der Ehrgeiz tritt hier in den Hintergrund, trotz inspirierender Vorschläge wie eines Verkaufsverbots für neue Autos mit Verbrennungsmotor bis 2035. In Bezug auf national festgelegte Beiträge bis Ende 2020 läuten bei der UNO die Alarmglocken. Die vielversprechenden Maßnahmen der USA, Chinas und der EU reichen bei weitem nicht aus, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen.

Der Weltklimarat (IPCC) fordert einen globalen Emissionsrückgang von 45 Prozent im Jahr 2030 gegenüber dem Stand von 2010, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Scheinbar jonglieren einzelne Länder und Regionen mit den Basisjahren. Die Bestrebungen unterscheiden sich je nach Reduktionszielen, die von den Basisjahren 1990, 2010 oder 2016 ausgehen. Die Ambitionen zur Treibhausgasreduktion sollten sowohl in absoluten Zahlen als auch in Form eines Pro-Kopf-Fußabdrucks angegeben werden. Momentan steigen die globalen Treibhausgasemissionen noch.

Alles hängt von der strikten Umsetzung der nationalen Ziele in allen Regionen ab, wobei das UN-Konzept des "fairen Anteils" zum Tragen kommen muss, das die Messlatte für die Industrieländer gegenüber den Schwellenländern höher legt. Bezogen auf den Pro-Kopf-Ausstoß tragen China und die USA mit etwa 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen eine hohe Verantwortung. Weitere Updates zu den nationalen Zielen vor dem "COP26"-Gipfel in Glasgow im November sollten zu erwarten sein.

Leider zeigen die aktuellen nationalen Werte, dass wir uns auf einem Pfad von etwa 1 Prozent Emissionsreduktionen bis 2030 befinden - im krassen Gegensatz zu den vom Weltklimarat geforderten 45 Prozent. Der Wert steigt auf 25 Prozent, wenn wir unter einem Anstieg der globalen Erwärmung von 2 Grad bleiben wollen. 55 Prozent sind immer noch ein Kompromiss, da die EU um etwa weitere 10 Prozent reduzieren sollte (also 65 Prozent gegenüber 1990 oder etwa 60 Prozent gegenüber 2010), um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten.

Zentralbanken haben Klimarisiko im Policy-Mix

Die Steuerung des Klimawandels in den Händen der politischen Elite ist fragil und anfällig für Schlupflöcher. Die Einführung einer Fiskalpolitik, die Risikominderung und Verhaltensänderungen in Umweltfragen unterstützt, ist eine nötige, aber keine hinreichende Bedingung. Der Einsatz der Geldpolitik kann die Erfolgswahrscheinlichkeit aber erhöhen. Die EZB, die Bank of England und nun auch die Bank of Japan haben das Klimarisiko in ihren Policy-Mix mit aufgenommen.

Zentralbanken können die Finanzierungskanäle von Regierungen und Unternehmen auf globaler Ebene steuern. Wenn die Finanzierungskosten für "Enabler", die den ökologischen Fortschritt fördern oder anführen, attraktiv werden, sollten nachzüglerische Unternehmen und Regierungen aufhorchen. In vielen Fällen könnte die Umwelt zum strategischen Ziel Nummer eins werden. Dazu könnte die Geldpolitik auch die Finanzierung bestehender oder zukünftiger Unternehmungen erleichtern, die Innovationen im Allgemeinen oder technologische Durchbrüche im Besonderen vorantreiben. Fiskalische und monetäre Klimapolitik sollten einander gegenseitig verstärken.

Angesichts der gigantischen Herausforderungen werden maßvolle Finanzierungskosten erforderlich. Da die Bühne global ist, befinden sich die langfristigen Zinssätze wohl über einen Horizont bis 2030 auf einem Konvergenzpfad, der die Renditen für Staatsanleihen wie auch für Unternehmensanleihen auf dem aktuellen Niveau verankert. Mittelfristig ist ein kürzerer Konjunkturzyklus nötig, während die Corona-Pandemie besiegt wird.

Die globale Wiedereröffnung der Wirtschaft hat viel Reibung in den Nachfrage- und Lieferketten verursacht. Sie haben jedoch eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit gezeigt beziehungsweise die Fähigkeit, sich wieder zu erholen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Produktionslücken schließen, bestimmt auch, wie früh der Zyklus endet. Eine Überhitzung dürfte zu einer verantwortungsvollen Straffung der Geldpolitik in den Industrie- und Schwellenländern führen. Vor kurzem hat Neuseeland sein Programm quantitativer Maßnahmen beendet, weitere Industrieländer werden folgen.

Seitens der Zentralbanken ist zu erwarten, dass ein vollständiger Zinserhöhungszyklus im Vergleich zu den vergangenen vier Jahrzehnten eher bescheiden ausfallen wird. Der endgültige Leitzins der Fed etwa wird nicht bei 2,25 bis 2,50 Prozent liegen, sondern möglicherweise "nur" zwischen 1,25 und 1,50 Prozent. Dies könnte die positive Entwicklung am US-Staatsanleihenmarkt erklären und steht auch in Verbindung mit den längerfristigen Herausforderungen. Fiskalisch unterstützende Umweltinvestitionen werden im normalen Finanzjargon einen niedrigen "Return on Investment" erzielen, aber einen hohen Mehrwert für Menschen und Planeten. Das Erzwingen negativer Realrenditen ist ein Nebenprodukt dieser komplexen Realität.

Kurzfristige Faktoren, die eine Marktkorrektur auslösen könnten, sind am einfachsten auszumachen: Die Märkte behandeln erneute Corona-Wellen als "Tail-Risk". Sobald dies das Basisrisiko ablöst, könnte die Korrektur scharf ausfallen. Die Impfquoten sind in einigen entwickelten Ländern unzureichend und in den Schwellenländern eigentlich nicht vorhanden. Eine weltweite Massenimpfung wird jedoch irgendwann zu einer Herdenimmunität führen und Covid-19 auf den Status einer Grippe abwerten.