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Systemwechsel, nein danke!

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Manche Ideen zur Bekämpfung des Klimawandels sind gefährlicher als das Problem selbst.


Greta Thunberg, die jüngst das Cover der "Vogue" zierte, ließ deren Leserinnen wissen, was es jetzt braucht: nichts weniger als einen Systemwechsel. Die Wiener Politologin Natascha Strobl erklärte dazu via Twitter: "Ganz nüchtern werden wir uns zwischen Kapitalismus und dem Fortbestehen weiter Teile der Menschheit entscheiden müssen."

Nun ist die Frage, wofür Strobl, die immer wieder in "Standard", "Falter" und ORF auftritt, sich nüchtern entscheiden mag oder auch nicht, von eher überschaubarer Bedeutung. Interessant ist die Sicht der Dinge allerdings, weil sie ein gar nicht so kleiner Teil der Bevölkerung in der einen oder anderen Form teilt, vor allem unter den Jüngeren. So gab 2020 bei einer Umfrage in 28 Staaten eine Mehrheit von 56 Prozent an, der Kapitalismus richte "mehr Schaden als Gutes in der Welt" an, wobei Jüngere stärker zu dieser Annahme neigten als Ältere; nicht zuletzt dank Thunbergs Wirken. Denn der Klimawandel - oder genauer gesagt: die gelegentlich hyperventilierende öffentliche Debatte darüber - hat diese krude These noch weiter befeuert. Kapitalistische Profitgier gleich Umweltzerstörung gleich Klimaveränderung, lautet die simple Gleichung; und wenn etwa der ORF jüngst die "ZiB 1" mit dem Satz "Die Welt brennt" einleitete, dann triggerte das beim einen oder anderen naiven Zuschauer die Assoziation: "Und der Kapitalismus ist schuld."

Das führt zu einer akademisch interessanten Frage: Wenn das Fortbestehen weiter Teile der Menschheit davon abhängt, dass wir den Kapitalismus abschaffen - wodurch ersetzen wir ihn dann eigentlich? Ganz einfach: Da Kapitalismus im Wesentlichen auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt (Marktwirtschaft) beruht, sind sowohl Privateigentum als auch freier Markt abzuschaffen, um in der Logik dieser Leute die Menschheit zu retten. Nun ist das Recht auf Eigentum in der österreichischen Verfassung ebenso wie im deutschen Grundgesetz verankert; wer es abschaffen will, ist somit ein Fall für die Verfassungsschützer und nicht für Qualitätsmedien; aber bitte, wenn es um die Rettung der Welt geht, wollen wir nicht so sein.

Was aber soll, wenn wir aus Klimaschutzgründen unsere Verfassungen gekübelt und das Privateigentum abgeschafft haben, an dessen Stelle treten?

Natürlich aus logischen Gründen - irgendwem müssen die Betriebe ja gehören - der Staat. Und an die Stelle des freien Marktes tritt, da es auch hier keine Alternativen gibt, die Planung des Staates. Sonst wird das ja nix mit dem Kapitalismus-Abschaffen.

Es ist ein seit mehr als 100 Jahren erprobtes Modell, das uns die Soziologin Strobl und all die anderen akademischen Leichtmatrosinnen dieses Milieus da aufwärmen, was leider den ranzigen Geruch nicht zu übertünchen vermag. Und es ist vor allem ein Modell, das in jedem einzelnen Fall, in dem es erprobt wurde, gescheitert ist; zuletzt etwa in Venezuela oder Kuba.

Ganz nüchtern werden wir uns zwischen dem Fortbestehen weiter Teile der Menschheit oder dem Glauben an wirre Systemwechsel-Thesen der Kapitalismus-
Gegner entscheiden müssen.