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Mallnitz

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Städtepartnerschaften dienen der Völkerverständigung - ungeachtet der Größenunterschiede.


Einer der ersten österreichischen Städtenamen, der sich in meinem jugendlichen Bewusstsein festgesetzt hatte, war Mallnitz. Das mag Sie überraschen, für mich war es nur logisch, denn die Gemeinde ist seit den frühen 1980er Jahren Partnerstadt von Witten an der Ruhr, wo ich aufgewachsen bin.

Hinter meinem Schreibtisch in der Botschaft habe ich eine topografische Karte des Landes aufgehängt, auf die ich gelegentlich beim Telefonieren schaue. Eines Tages passierte es: Im Westen Kärntens, knapp südlich des Alpenhauptkamms und am Ende einer gestrichelten Tunnelstrecke, entdeckte ich den Ortsnamen wieder, der mir so vertraut war. Er war klein und dünn gedruckt, ein sicheres Zeichen dafür, dass "Stadt" ein großes Wort für Mallnitz sein könnte. Wie sich herausstellte, hat der Ort gut 800 Einwohner. Auch meine Heimatstadt Witten ist nicht sehr bekannt, daher sage ich in Österreich meistens, dass ich aus dem Ruhrgebiet stamme. Aber immerhin hat Witten knapp 100.000 Einwohner; das Größenverhältnis zu Mallnitz ist also mit dem üblichen Faktor zehn nur unzureichend dargestellt.

Ich gebe zu: Ich hatte über Mallnitz nie viel nachgedacht, weder über die geografische Lage noch über die Größe. Dass ich jetzt den in Österreich beliebten Größenvergleich anstelle, zeigt vielleicht, dass ich nach zwei Jahren langsam hier angekommen bin.

Etwa die Hälfte der mehr als 700 österreichischen Städtepartnerschaften werden mit Deutschland gepflegt, aber man hört und liest weniger darüber als früher. Fast scheint es, als sei das Konzept im Zeitalter von Tinder und Twitter ein bisschen aus der Zeit gefallen. Ich sehe das anders: Gut gemacht, dienen Städtepartnerschaften der Völkerverständigung - noch so ein altes Wort, das aber an Bedeutung nichts verloren hat. Als die Bürgermeister von Mallnitz und Witten vor 40 Jahren abends beim Bier die Städtepartnerschaft beschlossen, war die persönliche Sympathie entscheidend. Aber auch der wechselseitige Nutzen hat die Freundschaft gestärkt. Wittener haben in Mallnitz Hütten gekauft und ausgebaut, in denen sie Urlaub machen.

Kürzlich war ich endlich selbst in Mallnitz. Der Bürgermeister zeigte mir den hübschen Ort und erklärte, wie man von hier den wunderbaren Nationalpark Hohe Tauern erkunden kann. Mit dabei war ein Urlauber aus Witten: der Enkel unseres Bürgermeisters, der damals die Partnerschaft begründet hatte. Denn noch immer ist Mallnitz ein Fixpunkt so mancher Wittener Urlaubsplanung - und der Tourismus somit Element der Völkerverständigung. Ein paar mehr Kärntner Touristen im Ruhrgebiet wären insofern auch willkommen.