Zum Hauptinhalt springen

Erfolglos und unsterblich

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Drei Jahrzehnte nach dem Kollaps der Sowjetunion erlebt deren ideologisches Fundament eine bizarre Renaissance.


Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit des Sozialismus als Gegenmodell zum Kapitalismus seinen Lauf nahm. Ende August 1991 versuchten die Wodka-Putschisten aus Militär und KGB in Moskau noch einmal das Ruder herumzureißen und das Sowjetsystem zu retten; doch vergeblich. Auch die prompte eilfertige Anerkennung der Möchtegern-Putschisten durch die Regierung in Wien konnte das Ende nicht verhindern, am Weihnachtsabend 1991 war die Diktatur der Sowjets Geschichte.

Doch heute, drei Jahrzehnte nach dem spektakulären Kollaps des real existierenden Sozialismus, ist ein nahezu absurdes Schauspiel zu beobachten: Trotz seines für jedermann und jederfrau sichtbaren völligen Versagens ist der Sozialismus als Idee, wie eine Gesellschaft zu gestalten sei, alles andere als tot. Von den linken Rändern der Grünen und Sozialdemokraten frisst sich sozialistisches Gedankengut in Richtung politische Mitte fort: Diskussionen über Enteignungen (etwa von Immobilienkonzernen in Deutschland), über eine Rückkehr des Staatseigentums an Unternehmen (von Teilen der SPÖ ventiliert) und natürlich der Wunsch nach jeder Menge staatlicher Planung und Lenkung belegen das Tag für Tag.

Wie kann ein so nachweisbar nur Armut, Leid und Elend produzierendes System immer wieder neue Anhänger finden, die aus der Geschichte nicht lernen können oder wollen? Gravierend wird das Problem, weil der Klimawandel geschichtsvergessenen Neu-Sozialisten einen perfekten Vorwand liefert, ihre gammelige Agenda unter der flotten Marke "Systemwechsel" anzupreisen - ein Taschenspielertrick, auf den vor allem Jüngere oft hereinfallen.

Ein wesentlicher Grund dürfte in der Psyche des Menschen zu finden sein. "Sozial" zu sein fühlt sich immer irgendwie gut an, während die kalte Logik des Marktes zwar weit bessere Ergebnisse liefert, aber emotional so berührend ist wie ein Kübel Eiswürfel. Das verhilft dem Sozialismus zur erstaunlichen Fähigkeit, die von ihm angerichteten Debakel zu überleben, als wäre nichts geschehen. Dazu kommt das bemerkenswerte Talent vieler Sozialisten, die Theorie von der Realität zu trennen und Erstere so vor Zweiterer zu beschützen. In der UdSSR, in der DDR, auf Kuba, in Nordkorea oder in jüngerer Zeit in Venezuela sei der Sozialismus eben nicht richtig umgesetzt worden, wird dann argumentiert. Dass es etwa eigenartig ist, dass der Sozialismus in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte offenbar noch nie und nirgends richtig umgesetzt wurde, beeindruckt seine Anhänger offenbar wenig. Es ist eine zynische Pointe der Geschichte, wenn nun ausgerechnet der Umweltschutz als Vorwand für einen "Systemwechsel" vom Kapitalismus zu einer sozialistisch inspirierten staatlichen Kommandowirtschaft dienen muss. Denn wer je die Staaten des real existierenden Sozialismus bereist hat, weiß: So verdreckt, verstunken und ruiniert wie dort war die Umwelt im Kapitalismus nicht einmal annähernd. Als taugliches Instrument, das Klima zu retten, taugt der Sozialismus so gut wie ein Glas Salzsäure zum Kurieren einer Gastritis.