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Der Steuerzahler hätte sich deutlich mehr verdient

Von Dénes Kucsera

Gastkommentare
Dénes Kucsera ist Ökonom bei der Agenda Austria. Seine Forschungsschwerpunkte sind Pensionen, Steuern und Arbeitsmarkt.
© Markus Rössle

Durch die kalte Progression verpufft der Großteil der Steuersenkung.


Österreich ist ein absolutes Hochsteuerland, nur in zwei anderen Staaten Europas ist die Steuer- und Abgabenlast für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer höher. Von jedem Euro, den ein Durchschnittsverdiener in Österreich erwirtschaftet, landen mehr als 47 Cent gleich beim Staat.

Das ist der Preis, den wir für die vielen verschiedenen staatlichen Leistungen zahlen. Damit finanzieren wir den Sozialstaat, bauen zum Beispiel Straßen, Schulen und Spitäler.

Das sind natürlich sehr wichtige Funktionen des Staates. Aber Steuern sind kein Selbstzweck. Ein teurer Staat ist nicht automatisch ein besserer. Das hat die Corona-Krise eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Während die Privatwirtschaft auf Homeoffice umsattelte, waren zig Dienststellen des Staates außer Betrieb.

Höchste Zeit also, dass der Staat etwas für seine Bürger tut. Den Arbeitnehmern muss endlich von ihrem Erwirtschafteten mehr netto bleiben. Laut der Regierung werden die drei untersten Tarifstufen von 25 auf 20, von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent gesenkt. Die unterste Stufe wurde bereits gesenkt, die zwei weiteren sollen folgen. Nun zeigt sich aber, dass für Menschen mit einem monatlichen Einkommen von 2.000 Euro brutto die kalte Progression seit der vergangenen Reform sogar für eine zusätzliche Belastung von knapp 200 Euro im Jahr 2022 sorgen würde.

Die kalte Progression entsteht dadurch, dass die Löhne in Österreich oft mit den steigenden Preisen mitwachsen, gleichzeitig das Steuersystem aber nicht angepasst wird. So zahlen wir selbst dann höhere Steuern, wenn wir uns im Supermarkt gar nicht mehr leisten können. Der unangenehme Effekt: Bereits wenige Jahre nach der Steuersenkung zahlen die Arbeitnehmer wieder höhere Steuern als davor.

Einkommensbezieher ab 2.500 Euro würden zwar gewinnen - aber nur in der Theorie. Denn in der Praxis werden auch sie durch die schleichende Steuererhöhung stark belastet, womit der Großteil der Steuersenkung verpufft. Auch bei den übrigen Einkommensbeziehern wird ein Teil der Steuersenkung aufgefressen. Es kann erst dann von einer wirklichen Steuerreform gesprochen werden, wenn die kalte Progression abgeschafft wurde. Erst danach würde eine Tarifreform eine nachhaltige Entlastung für die Steuerzahler bedeuten. Heute hätte der österreichische Durchschnittsverdiener im schwedischen System rund 250 Euro und im dänischen sogar 630 Euro mehr pro Monat zur Verfügung. Die Senkung des Eingangssteuersatzes ist also ein wichtiger, aber eben auch nur ein kleiner und erster Schritt in die richtige Richtung.

So bringt die geplante Senkung der zweiten und dritten Tarifstufe eine Entlastung von insgesamt 2,3 Milliarden Euro für die Steuerzahler. Aber auch diese Summe wird durch die kalte Progression innerhalb weniger Jahre aufgefressen werden. Für eine Arbeitsbelastung, die dem EU-Durchschnitt entspräche, wäre heute in Österreich eine dauerhafte Entlastung im Ausmaß von rund 9 Milliarden Euro notwendig. Die schleichende Steuererhöhung namens kalte Progression erlaubt es den Regierenden, alle paar Jahre die "größte Steuerreform aller Zeiten" zu beschließen - ohne dabei die Steuerbelastung wirklich zu senken.