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Die gesellschaftliche Spaltung beenden

Von Christian Felber

Gastkommentare
© adobe.stock.com / bluedesign

Ein 10-Punkte-Vorschlag für eine versöhnliche Corona-Strategie.


Das Sars-CoV-2-Virus hat einen Stachel zum Aufschluss von Zellen, aber für die gegenwärtige Spaltung der Gesellschaft ist der politische Umgang mit der Pandemie verantwortlich. Drei Bausteine stehen für die große Division:

1. Ein Thema erhielt über Nacht überproportionale, fast monopolhafte Aufmerksamkeit, die bis heute andauert, obwohl die wissenschaftliche Grundlage für das Maß der Angstmache nicht nachgeliefert wurde. Covid-19 ist weder die größte Gesundheitsgefahr noch die einzige Infektionskrankheit. Im Jahr 2020 starben laut WHO 97 von 100 Menschen nicht an Covid-19. Gegen sechs häufigere Todesursachen wurden keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen. Wieso führt zum Beispiel Luftverschmutzung, durch die im Jahr 2020 laut offizieller Statistik mehr Menschen in der EU gestorben sind als an Covid-19, zu keinem vergleichbaren Gesundheitsschutz?

2. Auf Basis von Angstmache erlassen viele Regierungen unverhältnismäßige Maßnahmen, mitgetragen von einem (verängstigten) Teil der Bevölkerung. Manche davon richten enorme Schaden an. Laut Weltbank sind im Vorjahr 150 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut abgerutscht, zusätzlich sieben Millionen sind akut vom Hungertod bedroht, in Österreich sind 79 Prozent der Kinder Lockdown-geschädigt, in Deutschland starben mehr Kinder durch zusätzliche häusliche Gewalt im Lockdown als an Covid-19.

3. Beim Aufbau des Angst-Narrativs reiht sich Ungereimtheit an Ungereimtheit: von der Tödlichkeit von Covid-19 bis zur Totenzählung, von der Spitälerauslastung bis zur Verlässlichkeit der PCR-Tests, vom Nutzen-Schaden-Verhältnis der Impfung bis zur Geheimhaltung der Milliarden-Verträge. Obwohl praktisch alle Maßnahmen wissenschaftlich umstritten sind, werden Kritikerinnen und Kritiker der Regierungsmaßnahmen diffamiert und nicht auf Augenhöhe am Diskurs beteiligt: Die Punzen "Corona-Leugner", "Verschwörungstheoretiker" oder "rechts" ersetzen den sachlichen Austausch und befördern stattdessen Lagerbildung.

Zwei-Klassen-Gesellschaft mit Ausgrenzung droht

Durch die politische Zuspitzung auf "Impfung vs. Nicht-Impfung" im Herbst droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft mit Stigmatisierung und Ausgrenzung der neuen Paria aus Teilen des öffentlichen (und damit auch privaten) Lebens (es beginnt bereits mit Geburtstagsfeiern nur für Geimpfte). Die angekündigte "Erhöhung des Kontrolldrucks" wird die Spaltung vertiefen, Stress und Angst auslösen, die polizeiliche Überprüfung, ob Nicht-Geimpfte die "richtige" Maske tragen, ist der Gipfel des bevormundenden Kontrollstaats. Diskriminierung führt nicht zu Solidarisierung. Mehr und mehr Stimmen fordern daher einen grundlegenden Strategiewechsel, so auch 16 Autorinnen und Autoren des Papiers "Covid-19 ins Verhältnis setzen: Alternativen zu Lockdown und Laufenlassen". Eine versöhnliche Strategie würde einen Mittelweg zwischen den beiden Extremen "Nichtstun" und "Grundrechtseinschränkungen" wählen. Hier sind zehn mögliche Schritte zu einem neuen Umgang mit dem Virus:

Christian Felber ist Affiliate Scholar am IASS Potsdam und freier Publizist sowie Tänzer in Wien. Er ist Autor von bisher 15 Büchern zur Reform der Wirtschaft, des Welthandels und des Finanzsektors. Gemeinsam mit 15 Expertinnen und Experten aus Österreich und Deutschland hat er den 66-seitigen Text "Covid-19 ins Verhältnis setzen. Alternativen zu Lockdown und Laufenlassen" verfasst (Download: www.coronaaussoehnung.org).
© Bernd-Hofmeister

1. Verhältnismäßigkeit und relevante Information: Gesundheitsministerien und -ämter führen Dashboards mit den zumindest zehn größten Gesundheitsgefahren in einer vergleichenden Übersicht. Dazu die Maßnahmen, die sie aktuell zur Bewältigung dieser Gefahren setzen sowie alle Folgeschäden und -kosten der Maßnahmen. Die einseitige Angstmache durch Corona-only-Dashboards wird eingestellt. Stattdessen wird das demokratische Gesundheitsverständnis der Ottawa-Charter gefördert.

2. Pluralität und rhetorische Abrüstung: Alle Punzen - "Verschwörungstheoretiker", "Corona-Leugner", "Aluhutträger", "Covidiot" - werden mit der Roten Karte belegt. Wer sie im öffentlichen Diskurs verwendet, wird aufgefordert, sie durch ein Sachargument zu ersetzen. Ein respektvoller und toleranter Diskurs ist die Voraussetzung für demokratische Lösungsfindungen. Kritikerinnen und Kritiker von Regierungsmaßnahmen unterschiedlicher Disziplinen kommen ausgewogen zu Wort.

3. Solidarität statt Zwang: Ende der Test-, Masken- und Impfausweispflicht. Diejenigen, die sich mit einer Maske oder Impfung schützen wollen, sollen diese von der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt bekommen. Sobald alle, die es wünschen, ein Impfangebot bekommen haben, werden sämtliche Zwangsmaßnahmen eingestellt (wie ab 10. September in Dänemark, bei einer 7-Tage-Inzidenz von 167; Schweden folgt). Covid-19 ist dann Teil des allgemeinen Lebensrisikos. Der Staat soll die Menschen dazu befähigen und dabei unterstützen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und Risikogruppen steuerfinanziert schützen (zum Beispiel durch kleinteiligere, familienähnliche Pflegeheime).

4. Einstellen des Testens von Gesunden: Eine Überprüfung 190.000 positiver PCR-Tests an 160.000 Personen durch die Uni Duisburg-Essen ergab, dass die Mehrheit keine ansteckenden Personen indizierte - was bedeutet, dass viele Grundrechtseinschränkungen fachlich unbegründet waren und die Strategie auf einem fragwürdigen Indikator beruhte. Die Tests sollen dorthin verortet werden, wo sie Sinn ergeben: bei Vorliegen von Symptomen als Teil der ärztlichen Diagnose. So können die 1,8 Milliarden Euro, welche die Tests bisher gekostet haben, eingespart und weitere gigantische Müllberge vermieden werden. Und die 11.000 Kinder, die wegen Testzwangs zu Hause unterrichtet werden, können in die Schulen zurück. Schulen werden normalisiert.

5. Freie, persönliche und geheime Impfentscheidung: Impfen sollte nur nach erstens umfassender Aufklärung über mögliche Folgen und zweitens einem Angebot zu einem kostenlosen Antikörper- und Gedächtniszellentest durchgeführt werden, die bei positivem Ergebnis den Status "genesen" bringen. Die natürliche Immunität ist prinzipiell höher zu bewerten als eine Impfung. 1G konterkariert wissenschaftliche Tatsachen: Was zählt, ist nicht die Impfrate, sondern die Immunität. Kollektive Immunität ist ein Zusammenspiel aus Menschen mit starkem Immunsystem, Kreuzimmunität aus vorangegangenen Infekten mit Coronaviren, überstandenen Sars-CoV2-Infektionen und Impfung.

6. Umfassende Gesundheitsaufklärung: Es bedarf umfassender Aufklärung über das menschliche Immunsystem, die Rolle von Bewegung, Ernährung, Nähe und Berührung sowie den Abbau von Stress und Angst. Einer aktuellen Studie aus Südkorea zufolge verringert sich das Sterberisiko durch regelmäßige körperliche Betätigung um drei Viertel. Es braucht Narrative, dass das Leben mit dem Virus möglich ist, dass der menschliche Körper aus bis zu hundertmal mehr Viren als Zellen besteht - nur wenige davon sind gefährlich, keines davon ist "in den Griff zu kriegen"; die Sprache verführt.

7. Nachhaltiges Wirtschaften: Die Zahl der Zoonosen nimmt aufgrund der nicht nachhaltigen menschlichen Wirtschaftsweise zu. Je einseitiger die Politik auf Symptombehandlungen (wie etwa Impfungen) fokussiert und gleichzeitig die ökologische Zerstörung weiter zulässt, desto mehr Pandemien werden folgen. Eine nachhaltige Wirtschaftswiese ist gleichermaßen Lebensbedingung für die Menschen wie effektive Zoonosen-Prävention: Es ist Zeit für eine Postwachstums-, Kreislauf- und Gemeinwohl-Ökonomie.

8. Kontrolle der Konzerne: Öffentliche Förderungen für Pharmafirmen müssen an Zwangslizenzen geknüpft werden. Es kann nicht sein, dass der Staat die Entwicklungskosten von Milliardenpatenten finanziert, sämtliche Rechtskosten für Impfschäden übernimmt und die Verträge, die dieses Unrecht regeln, geheim bleiben.

9. Forschung und Information zu Alternativen: Ivermectin, Artemisinin und andere Medikamente sowie Vitaminpräparate und auch Homöopathie sind stärker zu beleuchten, um Alternativen oder Verbündete zur Impfung zu schaffen. Ein Strategieziel sollte sein, dass Erkrankte zu Hause behandelt werden können, sodass das Gesundheitssystem der Belastung standhält. Längst hätten zudem Betten aufgestockt (statt abgebaut) werden müssen, mit einem Bruchteil der Milliarden, die für Tests und Lockdowns benötigt wurden. Auch kurzfristig gab es in Krisensituationen schon bisher Triage-Zelte vor Krankenhäusern, zuletzt 2018 in Kalifornien und Pennsylvania: In einem einzigen Zelt in Allentown waren mehr als 40 Grippepatientinnen und -patienten untergebracht - es nahm nur niemand Notiz davon.

10. Versöhnungstische sowie Bürgerinnen- und Bürgerrat: An Runden Tischen werden alle Ängste gleich behandelt: jene vor Covid-19, vor anderen Gesundheitsgefahren, vor den Folgen der Maßnahmen sowie vor dem Verlust der Grundrechte und des demokratischen Diskurses. Auf dieser Grundlage wird ein Bürgerinnen- und Bürgerrat zur Erarbeitung einer neuen Corona-Strategie einberufen. Dieser kann mehrere alternative Szenarien entwickeln, die einer Volksabstimmung unterzogen werden. So wird ein Stück verloren gegangener Demokratie restituiert.

Im Oktober werden mehrere gesellschaftliche Gruppen mit einem weiterentwickelten Vorschlag-Katalog gemeinsam an die Öffentlichkeit gehen.