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Arbeitslose zu triezen ist der falsche Weg

Von Barbara Blaha

Gastkommentare
Barbara Blaha leitet die sozialliberale Denkfabrik Momentum Institut in Wien. privat

Wem nur die Arbeitslosen als Schuldige einfallen, dem gehen in der Arbeitsmarktpolitik allzu schnell die Ideen aus.


Wenn wir über Arbeitslosigkeit sprechen, tun wir das oft voller Vorurteile, Klischees und Stigmata. Anekdoten aus der Chefetage gelten als ernst zu nehmender Debattenbeitrag. Dabei kommen die tatsächlich Betroffenen nicht zu Wort. Immerhin geht es laut den jüngsten Zahlen um mindestens 350.000 Menschen in Österreich. Das Momentum Institut hat mehr als 1.200 Arbeitslose befragt. Die Resultate sind niederschmetternd: Das Arbeitslosengeld erfüllt das Ziel der Existenzsicherung nicht: Neun von zehn Befragten liegen mit unter 1.200 Euro monatlichem Einkommen deutlich unter der Armutsgrenze.

Acht von zehn Arbeitslosen verloren ihren Job unfreiwillig: Sie wurden gekündigt, der Betrieb geschlossen, die Saison war zu Ende. Jene Arbeitslosen, die selbst gekündigt haben, sind hingegen zumeist beruflich und finanziell bessergestellt. Die allermeisten Arbeitslosen waren vorher in schlecht bezahlten und wenig angesehenen Berufen.

So gut wie alle Befragten suchen aktiv nach Beschäftigung. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto mehr Bewerbungen müssen sie versenden, um überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Schon nach sechs Monaten müssen sie im Schnitt vierzehn Bewerbungen versenden, um nur eine Einladung zu bekommen. Und entgegen landläufigen Vorurteilen suchen Langzeitarbeitslose und Arbeitslose mit Nebenverdienst genauso intensiv nach einem Job.

Knapp 60 Prozent schämen sich für ihre Arbeitslosigkeit, beinahe jeder Zweite versucht zu verheimlichen, dass er arbeitslos ist. Die Belastung, die Arbeitslosigkeit mit sich bringt, zeigt sich auch bei psychosomatischen Beschwerden, etwa bei depressiven Gedanken: Während 4 Prozent der Beschäftigten darunter leiden, sind es 19 Prozent der Arbeitslosen und 38 Prozent der Langzeitarbeitslosen.

Sieben von zehn Arbeitslosen sagen, die Politik behandle sie als Menschen zweiter Klasse. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Die Daten sollten wachrütteln, zu befürchten ist aber, dass das Gegenteil passiert: Aktuell gilt das Herumschrauben an der Arbeitslosenversicherung als Wundermittel gegen Arbeitslosigkeit. Wem da nur die Arbeitslosen als Schuldige einfallen, dem gehen in der Arbeitsmarktpolitik allzu schnell die Ideen aus. Dabei geht die Rechnung nicht auf: Wenn auf jede offene Stelle mehrere Arbeitslose kommen, dann kann man Arbeitslose noch so triezen - sie werden keinen Job finden.

Wie können wir den Aufschwung so weit stärken, um das Arbeitslosigkeitsniveau dauerhaft zu senken? Es empfiehlt sich ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, das hilft, die stark steigende Langzeitarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Die Arbeitslosen sind jene, die aktuell die oft beschworenen "Krisen-Kosten" zahlen, mit starken Einbußen. Österreichs Arbeitslosengeld ist im Europa-Vergleich schließlich besonders niedrig. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Arbeitslosigkeit bekämpft man nicht, indem man Arbeitslosen mutwillig das Leben schwer macht.