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Die USA brüskieren ihre EU-Partner

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".
© Ralph Manfreda

Präsident Joe Biden übergeht mit seiner Anti-China-Offensive seine Verbündeten.


Dass die EU und die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden keinen transatlantischen Honeymoon erleben werden, war schon bei seinem Amtsantritt klar. Aber EU-Politiker waren über den Amtsverlust Donald Trumps so froh, dass sie die ersten Anzeichen von Alleingängen Bidens nicht erkennen wollten: Erst der übereilte Abzug aus Afghanistan, der mit den Nato-Verbündeten offenbar zu wenig koordiniert worden war; vorige Woche dann die überraschende Ausrufung des neuen Militärbündnisses zwischen den USA, Großbritannien und Australien (Aukus), über das die Nato-Partner mit Ausnahme Großbritanniens offenbar nur spärlich informiert wurden; und mit der von den USA orchestrierten Aufkündigung des milliardenschweren Vertrags über die Lieferung von französischen U-Booten an Australien hat Biden die Beziehungen zu Frankreich schwer gestört.

Biden wollte am Dienstag in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung die Wogen glätten. Statt militärischer Interventionen, die nach dem Irak auch im Fall von Afghanistan nur zu riesigen Kosten statt der erhofften Demokratisierung führten, will er nun mehr Augenmerk auf Diplomatie setzen. Aber getreu dem Motto von US-Präsident Theodore Roosevelt, "Speak softly and carry a big stick", möchte Biden gleichzeitig die militärische Aufrüstung vorantreiben. Er hat China als wichtigsten geopolitischen Gegner im Visier. Und abermals hat er seine Anti-China-Allianz ohne Absprache mit den EU-Partnern abgesteckt. Am Donnerstag wird Biden die Regierungschefs aus Japan, Indien und Australien im Weißen Haus empfangen, um mit ihnen Initiativen für eine "freie und offene indopazifische Region" - wie es die Sprecherin des Weißen Hauses nannte - zu besprechen.

Die Botschaft an China ist dabei klar. Nach dem Debakel des Abzugs aus Afghanistan gab es Befürchtungen, die Machthaber in Peking könnten die Bündnistreue der USA mit einem Angriff auf Taiwan testen. Nun will Biden mit seiner Quadriga-Politik Stärke zeigen. Und dazu sollen eben auch atomare U-Boote aus den USA für Australien beitragen.

Für die EU ist einmal mehr ihre Bedeutungslosigkeit auf der Weltbühne deutlich geworden. Am Rande der UN-Vollversammlung haben EU-Politiker ihre Wunden geleckt und beraten, wie man Solidarität mit Frankreich zeigen könnte. Außerdem wird die EU auch rasch einen Kurs gegenüber Großbritannien neu bestimmen müssen. Denn in London will man offenbar das Brexit-Abkommen neu aufschnüren und die Warenkontrollen an der Grenze zu Nordirland, das ja weiter im EU-Binnenmarkt verbleiben soll, nicht länger akzeptieren.

Die neue Außenpolitik des US-Präsidenten wird wohl auch Folgen für die Nordatlantische Allianz haben. Frankreich als derzeit wichtigste Militärmacht in der EU kann als Nato-Verbündeter den Affront durch die Aufkündigung des U-Boot-Liefervertrags nicht so leicht wegstecken. Denn nächstes Jahr will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Wiederwahl erreichen. Das transatlantische Verhältnis, das unter Trump viele Tiefen erlebte, wird auch unter seinem Nachfolger Biden nicht so schnell zu reparieren sein.