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Südautobahn

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Anders als in Deutschland ist in Österreich die Hauptstadt der Dreh- und Angelpunkt des Landes.


Eine meiner Reisen durch Österreich in diesem Sommer führte mich in einer großen Runde nach Kärnten, von dort nach Vorarlberg, dann über einen kurzen Stopp in Salzburg zurück nach Wien. Zu solchen Reisen gehören unweigerlich ein paar hundert Kilometer deutsche Autobahn, aber das ist heute ausnahmsweise nicht mein Thema. Mehr gewundert hat mich, wie die Österreicher ihre eigenen Autobahnen nennen.

Ich bin über die Südautobahn losgefahren und über die Westautobahn zurückgekommen. Zeit genug, um nachzudenken. Wieso eigentlich spricht man in Salzburg von einer Westautobahn, und warum fährt man in Villach oder Graz auf etwas, das man Südautobahn nennt? "Süd" und "West", das ist eigentlich nur aus Wiener Sicht plausibel. Aber in Österreich heißen so nicht nur die Auto- sondern auch die Eisenbahnen.

Schon in der Antike hieß es: Alle Wege führen nach Rom, und auch heute wird mancherorts noch so gedacht und gehandelt. Vor ein paar Jahren bin ich einmal aus der Karibik mit der russischen Linie Aeroflot nach Moskau geflogen. Als die Stewardess am frühen Abend ein Frühstück servierte, erklärte sie dem staunenden Passagier freundlich: "Wir richten uns bei den Mahlzeiten immer nach Moskauer Zeit." Früher, das habe ich mittlerweile herausgefunden, gab es auch noch eine Nord- und eine Ostbahn, aber der Zusammenbruch des Kaiserreichs und der Eiserne Vorhang haben natürlich auch das Eisenbahnnetz begrenzt. Die meisten Autobahnen wurden ohnehin erst nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, daher sind die Strecken nach Norden und Osten sofort kürzer ausgefallen. Von der zentralistischen Namensgebung hat man dennoch nicht gelassen: Wien bleibt auch in Transportfragen der Dreh- und Angelpunkt des Landes.

Auch in der Art, wie wir unsere Autobahnen nennen, zeigen sich feine Unterschiede zwischen unseren Ländern. In Deutschland wäre eine solche Ausrichtung der Verkehrsnetze auf eine einzelne Stadt schwer vorstellbar - weder real noch in der Sprache. Der zentrale Eisenbahnknoten (nicht der einzige) schürzt sich in Frankfurt am Main, das Autobahnnetz liegt eher wie ein Gitter über dem Land. Autobahnen in Nord-Süd-Richtung haben meist ungerade Nummern, in Ost-West-Richtung gerade. Manche tragen zwar Namen, aber den "Ostfriesenspieß" (für Feinschmecker: A31) oder die "Sauerlandlinie" (A45) nennen nur Eingeweihte so.

Gerade im Kontrast zu Österreich wird deutlich: Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung kann man nicht sagen, dass in Deutschland alle Wege nach Berlin führen. Ein Blick auf die Karte zeigt übrigens: Das, was man Ost- und Nordautobahn nennen würde, ist auch dort ziemlich kurz.