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Deutschförderklassen könnten verfassungswidrig sein

Von Paul Schwarzenbacher

Recht
Paul Schwarzenbacher studierte Rechtswissenschaften in Wien und Mailand und verbrachte Studienaufenthalte ebenso in Georgetown und Montreal. Er war beruflich in Österreich, Italien und Spanien tätig, ist nunmehr in der Landesverwaltung beschäftigt und stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik (ÖGRL).
© privat

Es gibt ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung.


Eine Untersuchung der Universität Wien hat ergeben, dass 80 Prozent der befragten Lehrer statt der Deutschförderklassen einen Unterricht im Klassenverband mit zusätzlicher Deutschförderung besser fänden. Auch wenn diese Untersuchung nicht repräsentativ sein mag, kritisiert wird vor allem die soziale Ausgrenzung im gegenwärtigen Modell. Dass ein Gemeinschaftsgefühl nicht auftreten kann, wenn Schüler nur in Gegenständen wie Zeichnen, Musik oder Turnen den normalen Regelklassen zugeteilt werden, kann nicht verwundern. Ebenso nicht, dass spielerisches Lernen im Austausch mit Klassenkollegen auf unterschiedlichen Sprachniveaus in einer Deutschförderklasse nicht möglich ist. Dass damit fehlerhaftes Deutsch im Umgang mit Deutschförderklassen verfestigt wird, liegt auf der Hand.

Stattdessen ist hier auf Artikel 2 des 1. Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hinzuweisen, jener EMRK, die in Österreich im Verfassungsrang steht. Der genannte Artikel bestimmt, dass das Recht auf Bildung niemandem verwehrt werden darf, es also ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang gibt. Zu beachten ist in dem Zusammenhang auch Art. 14 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Danach gewährleistet diese Rechtsvorschrift ausdrücklich das Recht, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen. Von Deutschförderklassen ist allerdings weder in der EMRK noch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Rede.

Muttersprachlicher Support empfehlenswert

Ein Lösungsvorschlag zu einer längerfristig erfolgreicheren Vorgehensweise im Pflichtschulbereich schaut folgendermaßen aus: Neben dem Unterricht im Klassenverband mit zusätzlicher Deutschförderung ist der vermehrte Einsatz von muttersprachlichem Support empfehlenswert. Weiters ist eine Bewusstseinsbildung in Form von Aufklärungsarbeit bei Kindern und Jugendlichen über ihre Rechte - so etwa ihrem Recht auf diskriminierungsfreien Zugang - entscheidend. Darüber hinaus sollten Medien ein inklusives Bildungssystem statt Panikmache durch positive Berichterstattung unterstützen.

Dadurch wären nicht nur verfassungsrechtliche Bestimmungen eingehalten, sondern es wären auch die in Artikel 14 Abs. 5a Bundes-Verfassungsgesetz so treffend formulierten Grundwerte der Schule wie zum Beispiel Solidarität, Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen wahrgenommen. Nur so würde Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung ermöglicht, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden. Und die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen.