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Den richtigen Umgang mit Geld lernen

Von Matthias Reisinger

Gastkommentare
Matthias Reisinger ist Vorstand der Stiftung für Wirtschaftsbildung, deren Ziel es ist, Wirtschafts- und Finanzbildung stärker in den Schulen zu verankern.
© privat

Sozial Schwächere leiden unter fehlender Wirtschaftsbildung doppelt.


In einer Gesellschaft, die sich ständig und in rasantem Tempo verändert, wachsen Kinder und Jugendliche heute unter völlig neuen Rahmenbedingungen auf. Dies verlangt nach neuen, passenden Lernräumen, die sie noch besser auf ihre Zukunft vorbereiten. Viele österreichische Jugendliche fühlen sich zum Beispiel beim Umgang mit Geld nicht sattelfest und wünschen sich hier mehr Unterstützung. Den Bedarf machen auch die aktuellen Zahlen der Schuldnerberatungen deutlich: Nach Arbeitslosigkeit und Einkommensverschlechterung ist der Umgang mit Geld der zweithäufigste Grund für Überschuldung (dass also Schulden langfristig nicht mehr zurückgezahlt werden können). Und das betrifft auch oft schon die Jungen. Jeder vierte Schuldnerberatungsklient ist jünger als 30 Jahre und hat im Durchschnitt 30.000 Euro Schulden.

Und die finanzielle Lebensrealität wird zunehmend komplexer: virtuelle Zahlungsmöglichkeiten, Nullzinsen auf dem Sparkonto und eine ungefilterte Flut an "Expertenwissen", das via Soziale Medien auf die Jugendlichen hereinprasselt. Schnell wird eine Kryptowährung oder auch eine Einzelaktie als sicherer Weg zu Reichtum angepriesen. Ohne ein paar wichtige Grundregeln zu kennen und sie anwenden zu können, ist es schwierig, diese Angebote einzuschätzen, Schuldenfallen zu vermeiden, aber auch nachhaltige Wege zu finden, dass die Inflation das Ersparte nicht entwertet, sondern auch Vermögen aufgebaut werden kann.

Es wird auch deutlich, dass fehlende Finanz- und Wirtschaftsbildung sozial Schwächere deutlich stärker benachteiligt. Sozial Stärkere können kleine ungeschickte finanzielle Entscheidungen oft eher wegstecken, oder die Familie fängt sie auf. Außerdem haben sie über ihr soziales Netzwerk höhere Chancen, finanzielles Grundwissen auch jenseits der Schule zu beziehen.

Junge Menschen wollen mitreden und ihre Zukunft gestalten. Nicht nur die eigene Zukunft, sondern auch die Zukunft der gesamten Gesellschaft. Auch hierbei wünsche sie sich mehr Unterstützung. Eine grundlegende und lebensnahe Wirtschaftsbildung hilft ihnen, wichtige wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, und zeigt ihnen, wie sie diese mitgestalten können und auch sollen. Jedes Jahr absolvieren rund 90.000 Jugendliche die Unterstufe in AHS und Mittelschule. In den darauffolgenden Jahren werden sie in den unterschiedlichsten Rollen am wirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und mitgestalten: als Konsumenten, Wähler, Arbeitnehmer, nach und nach auch als Führungskräfte oder als Arbeitgeber sowie durch ihre Rolle in Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Nur mit einem gewissen Grundverständnis können sie in diesen Rollen auch entsprechend der eigenen Bedürfnisse und im Sinne des Gemeinwohls teilnehmen und entscheiden.

Auch hier werden sozial Schwächere disproportional benachteiligt, wenn sie ihre Gestaltungsmöglichkeiten nicht kennen und zielorientiert nutzen können. Wir wissen auch, dass die Klimakrise sozial Schwächere überproportional trifft. Es ist daher nötig, dass gerade auch diese Gruppen die Effekte geplanter Maßnahmen in ihrer Gesamtheit verstehen und ermächtigt werden, die dafür notwendigen Weiterentwicklungen des Wirtschaftssystems fair und in ihrem Interesse zu gestalten. Daher sollten wir als Gesellschaft danach trachten, dass das notwendige Wissen, um unsere Gesellschaft besser zu verstehen und zu gestalten, unseren Kindern in der Schule vermittelt wird. Alles andere würde sozial Schwächere zusätzlich benachteiligen. Eine umfassende Vorbereitung auf die Themen, die sie in der Gesellschaft erwarten, könnte diese Ungerechtigkeit rasch beseitigen.