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Schutz für alle Kinder

Von Virginia Gamba, Guy Ryder und Rob Williams

Gastkommentare

Die Tragödie von Kindern, die in bewaffneten Konflikten rekrutiert, ausgebeutet und missbraucht werden, muss aufhören.


Frederique befand sich in seiner Schule in Bambari, in der Zentralafrikanischen Republik, als die Miliz angriff. Bei den Kämpfen wurden viele Menschen getötet, darunter auch sein Bruder und seine Mutter. Am Boden zerstört, schloss sich Frederique einer bewaffneten Gruppe an und suchte damit sowohl Schutz als auch Rache für den Tod seiner Angehörigen. Diese Geschichte ist erschütternd, aber leider nicht selten. Bewaffnete Konflikte sind für Millionen von Kindern traurige Realität, und in mindestens 20 Ländern weltweit werden Buben und Mädchen als Soldaten, Wachposten, Lastenträger, Spione, Köche oder Sexsklaven rekrutiert, ausgebeutet und missbraucht.

Die internationale Gemeinschaft hat sich verpflichtet, der Rekrutierung und dem Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten bis 2025 ein Ende zu setzen. Das von der UNO eingeführte Internationale Jahr für die Beseitigung der Kinderarbeit (2021) bietet der internationalen Gemeinschaft eine ausgezeichnete Gelegenheit, konkrete Schritte zu ergreifen und die Maßnahmen zu beschleunigen, um dieser Geißel ein Ende zu setzen.

In den vergangenen 25 Jahren haben sich viele Länder verpflichtet, Kinder vor der Rekrutierung und dem Einsatz durch Konfliktparteien zu schützen, indem sie wichtige internationale Instrumente ratifizierten und umsetzten, alle Kinder aus ihren Diensten befreiten und Schutzmaßnahmen in ihren Sicherheitsdiensten einführten, wie etwa Altersüberprüfungsmechanismen, Schulungen zum Kinderschutz und militärische Befehlsstrukturen.

Der Fortschritt erfolgt jedoch zu langsam. Die Corona-Pandemie hat den Schutz der von Konflikten betroffenen Kinder zusätzlich erschwert. Die Schließung einiger schützender Orte, wie Schulen und kindgerechter Umgebungen, und der Verlust von Familieneinkommen könnten Konfliktparteien veranlasst haben, die erhöhte Verletzlichkeit von Kindern auszunutzen oder Kinder dazu zu bringen, sich bewaffneten Gruppen und Truppen anzuschließen oder andere Formen ausbeuterischer Arbeit zu verrichten, um das Familieneinkommen zu erhöhen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungsmaßnahmen haben es den Kinderrechtsorganisationen auch erschwert, die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern zu überwachen und Bildungs- und Gesundheitsprogramme einzuführen, die dazu beitragen, diese Praktiken zu unterbinden und zu verhindern.

Aus dem Bericht "Kinderarbeit: Globale Schätzungen" für 2020, der von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und dem UN-Kinderhilfswerk Unicef herausgegeben wurde, geht hervor, dass die Fortschritte bei der Überwindung von Kinderarbeit erstmals seit zwanzig Jahren ins Stocken geraten ist und die Zahlen wieder angestiegen sind. Mindestens 160 Millionen Kinder sind derzeit von Kinderarbeit betroffen, und viele weitere sind gefährdet. Es bedarf einer erneuerten internationalen Verpflichtung, um die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern bis 2025 ein für alle Mal zu beenden und zu verhindern, dass noch mehr Kinder als Folge von Covid-19 in diese schlimmste Form der Kinderarbeit getrieben werden.

Ein langer, schwieriger Weg

Für Frederique und alle Kinder, die unter der Gewalt bewaffneter Truppen oder Gruppen gelitten haben, ist die Abkehr nur der erste Schritt auf einem langen, schwierigen Weg zur Heilung. Das internationale Recht erkennt freigelassene oder abgekehrte Kinder als Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen an, die langfristige Unterstützung benötigen. Dennoch erhalten zu viele von ihnen keinen angemessenen Beistand und laufen Gefahr, erneut in anderen Formen der Kinderarbeit rekrutiert zu werden, dem Menschenhandel ausgesetzt zu sein oder wegen ihrer Verbindung zu einer bewaffneten Gruppe inhaftiert zu werden.

Eine bessere Zukunft zu errichten bedeutet, dass die Regierungen die Bedürfnisse von Mädchen und Buben ins Zentrum der Corona-Wiederaufbaupläne stellen und Dienste zur Wiedereingliederung einrichten müssen, damit Kinder, die mit Konfliktparteien in Verbindung stehen, ihr Leben zurückgewinnen können. Wiedereingliederungsprogramme müssen auch das hohe Maß an Leid dieser Kinder berücksichtigen und ganzheitliche Unterstützung bieten, die körperliche Erholung, psychologische Betreuung, Familienzusammenführung, Bildung, sozialen Schutz und Hilfe bei der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Eingliederung in das zivile Leben umfasst.

Deshalb muss die internationale Gemeinschaft langfristige und verlässliche Finanzmittel bereitstellen, da solche ganzheitlichen Programme zur Wiedereingliederung von Kindern, ihrer nachhaltigen Erholung und Entwicklung sowie zur Versöhnung, Prävention und Friedensbemühungen beitragen. Ein erheblicher Teil davon sollte auch für Initiativen und Organisationen bereitgestellt werden, die von den Gemeinschaften geleitet werden und an vorderster Front arbeiten, da sie am besten in der Lage sind, Bedürfnisse und Wünsche der Kinder und Gemeinschaften zu beurteilen.

Gemeinsam unterstützen

Der Schlüssel zum Erfolg solcher Wiedereingliederungsprogramme ist die Unterstützung der Gemeinschaften bei der Suche nach eigenen Lösungen. Dies erfordert, dass wir, die internationale Gemeinschaft, unsere Unterstützung zur Wiedereingliederung in einer Weise ändern, dass sie auf tiefster Ebene mit dem Kind und den Bedürfnissen seiner Umgebung verwurzelt ist und auf den vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten aufbaut.

Dieses wichtige Jahr bietet der internationalen Gemeinschaft eine einmalige Gelegenheit, ihre Verpflichtungen in Taten umzusetzen und die Anstrengungen dahingehend zu beschleunigen, die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten vollständig zu beenden und zu verhindern. Regierungen, die Zivilgesellschaft, Arbeiterorganisationen und der private Sektor sind in der Lage, dieser Geißel ein Ende zu bereiten und damit die Grundlage für friedliche Gesellschaften zu schaffen.