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Angewandte Forschung vom Gängelband befreien

Von Marianne Egger de Campo, Christian Fleck, Heinz D. Kurz, Harald Rohracher und Georg Vobruba

Gastkommentare

Das Vertrauen in die Wirtschafts- und Sozialforschung darf nicht weiter ruiniert werden.


Die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Chats haben nicht nur die Karriere von ÖVP-Chef Sebastian Kurz seitwärts verschoben, nebenbei wurde auch berichtet, dass Thomas Schmid als Generalsekretär des Finanzministeriums mehrfach massiv auf Forschungsinstitute Einfluss zu nehmen versuchte.

Zur Erinnerung: Die Leitung des Instituts für Höhere Studien (IHS) sollte in die Hände jemandes kommen, der offenbar als besser steuerbar betrachtet wurde; der IHS-Kuratoriumsvorsitzende sollte vorzeitig abgesetzt werden; gedroht wurde, die Budgets sowohl des IHS wie des Wifo zu kürzen, und beide Institute sollten veranlasst werden, Expertisen Kurz-gefällig zu frisieren. Insbesondere Letzteres sollte Forscher-Community und Öffentlichkeit alarmieren. Die untadeligen Zeugen Christoph Badelt und Franz Fischler bestätigten die Richtigkeit der Berichterstattung.

Auch in Österreich bedarf die angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung der öffentlichen Subventionierung; anders als anderswo können hierzulande jene, die den Geldhahn bedienen, drohen, bei Unbotmäßigkeit zu kürzen. Dass Gängelung beziehungsweise Versuche dahingehend erst dann zum Thema der Berichterstattung werden, wenn sie als Beifang anderer Erhebungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft publik werden, wirft auch kein gutes Licht auf das Land und seine angewandten Wirtschafts- und Sozialforscher.

Die Bundesregierung, der zwei Minister angehören, die über einschlägige Erfahrungen und Einblick in die opaken Verhältnisse verfügen, sollte - auch wenn das nicht im Regierungsübereinkommen steht - rasch Maßnahmen ergreifen, um das Vertrauen in die angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung nicht weiter zu ruinieren.

Dringend nötig sind vier Änderungen: Erstens sind die Regeln der Finanzierung der außeruniversitären angewandten Forschung internationalen Standards anzupassen. Zweitens ist die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung in den Forschungsinstituten sicherzustellen. Drittens muss politische Einflussnahme auf die Forschung künftig unterbleiben. Viertens sollten die betroffenen Wirtschafts- und Sozialforscher sich selbst dazu verpflichten, Versuche, diese Standards auszuhebeln, publik zu machen, und Whistleblower ermuntert werden.

Dazu muss man die Welt nicht neu erfinden, es genügt, sich Best Practices zum Vorbild zu nehmen. Andernfalls wird Österreich bald zu einem Worst Case der Forschungspolitik.