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Die neuen Corona-Regeln und ein Winterrätsel

Von Klaus Christian Vögl

Recht

Was ist neu – und was wäre wünschenswert.


Wie in allen bisherigen Beiträgen hinterfragen wir hier keinesfalls die grundsätzliche Notwendigkeit gezielter Maßnahmen aus epidemiologischer Sicht, sondern befassen uns mit wesentlichen Stellschrauben und ihrer Interpretation, aber auch wieder mit immer noch vorhandenen oder neuen Regelungsmankos, Lücken und Unklarheiten.

Die zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Beitrages gültige Verordnung (V) ist die 3. Covid-19-MaßnahmenV in der Fassung BGBl II 2021/465, dazu die Wiener Covid-19-Maßnahmen-BegleitV in der Fassung LGBl 2021/52. Mittlerweile haben auch andere Bundesländer verschärfende Zusatzmaßnahmen beschlossen. Die Rechtslage wird dadurch natürlich immer unübersichtlicher. Man fragt sich: Warum eigentlich ist das Bundesministerium nicht in der Lage (oder nicht willens), in Abstimmung mit den Ländern eine konsolidierte Bundesregelung zu treffen, die Sonderregelungen der Länder entbehrlich machen würde?

Aus der ÖffnungsV (Sommer 2021) wurde nunmehr, im Herbst, längst eine weiter einschränkende MaßnahmenV. Letztes Jahr folgten darauf Schutz- und zuletzt NotmaßnahmenV, Letzteres eine schöne Umschreibung für den "Lockdown". Die neu eingeführten Kautelen sollen eben das heuer verhindern. Dabei fällt auf, dass einige (auch) hier geäußerte Vorschläge vom Verordnungsgeber aufgegriffen worden sind! Immerhin: Erstmals nach eineinhalb Jahren macht sich der Verordnungsgeber Sorgen um die "bessere Lesbarkeit"; so findet sich die Standardauflage, dass der G-Nachweis (geimpft, getestet oder genesen), wo erforderlich, vom Betreffenden stets bereitzuhalten ist, nunmehr richtigerweise in § 1 bei den allgemeinen Bestimmungen, es entfallen daher die ermüdenden Wiederholungen.

Erstmals kommt in der rechtlichen Begründung auch die Sorge um "irrige Auslegungen" hinzu: So wird nunmehr nachträglich zu § 5 Abs. 2 (Einrichtungen der "Nacht"gastronomie) klargestellt, dass diese Qualifikation nicht von der Tageszeit abhänge, und als Beispiel Après-Ski-Lokale hinzugefügt. Allerdings: Mögliche "Irrtümer" waren durch die unpräzise Verordnungsformulierung selbst provoziert worden.

Was ist neu?

Die G werden zusammenfassend wie folgt geordnet:
 1G = alle im EWR-Raum zugelassenen Impfungen (derzeit in der V nicht effektiv)
 2G = Impfungen oder genesen oder Absonderungsbescheid oder Corona-Schulpass
 2,5G = Impfungen oder genesen oder Absonderungsbescheid oder molekularbiologischer Test/72 Sunden lang gültig (PCR-Test) oder Corona-Schulpass (derzeit in der V nicht aktiv)
 3G = vollständige Impfungen oder Genesungsnachweis/molekularbiologisch bestätigtes ärztliches Genesungsattest oder Absonderungsbescheid oder PCR-Test/72 Stunden lang gültig oder Antigen-Test durch eine befugte Stelle/24 Stunden lang gültig oder Corona-Schulpass; ohne jeden (auch ad hoc-) Antigentest zur Eigenanwendung und über neutralisierende Antikörper.

Hinsichtlich der G ist zu unterscheiden, ob die Nachweise proaktiv vorgewiesen und bereitzuhalten sind (Regelfall), oder ob der Kunde nur darüber verfügen muss, wer immer auch das dann kontrolliert oder nicht.

Im Bereich des § 4 (sonstige Betriebsstätten wie Handel, Banken et cetera, Museen, Kunsthallen und kulturelle Ausstellungshäuser, Bibliotheken, Büchereien und Archive) genügt Zweiteres. Ebenso nach § 9 Abs. 1 bei 3G am Arbeitsplatz. Hingegen müssen seitens aller beruflich Tätigen die 2G in der "Nacht"gastronomie vorgewiesen werden. Dabei stellt sich die interessante, von der V nicht behandelte Frage, wem der Betriebsinhaber den Nachweis zu erbringen hat – seinen Angestellten vielleicht, oder dem Betriebsrat? Wer diesen 2G-Nachweis nicht erbringt, muss am Arbeitsort PCR-getestet sein und durchgehend Maske tragen.

Regelungen für einen sicheren Wintertourismus (Seil- und Zahnradbahnen samt geschlossener Anstell- und Wartebereiche, geschlossener oder abdeckbarer Fahrbetriebsmittel, Après-Ski): 2G, ausgenommen für Fahrten zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens.

Am Arbeitsplatz, auch an auswärtigen Arbeitsorten (dort 2G), wird künftig die Regel bei Kontakt mit Kollegen und Kunden gelten: entweder 3G oder Maske. Ausgenommen sind Dienstnehmer, die nicht mit anderen Kollegen respektive Kunden in Kontakt kommen, wie Zusteller im Lkw. In § 9 Abs. 2 wird ausdrücklich klargestellt, dass für die Verrichtung der Arbeitstätigkeit im Homeoffice die Vorgaben für das Betreten auswärtiger Arbeitsstellen nicht gelten; präzisiert wird, dass die Ausnahme nur für den "eigenen" privaten Wohnbereich gilt, nicht jedoch für die Erbringung von Dienstleistungen im fremden privaten Wohnbereich, da es sich hierbei um auswärtige Arbeitsstellen im Sinne des § 9 Abs. 2 handelt (analog mobiler Friseur, Installateur, Elektriker), und wohl auch nicht in einem externen gemieteten Büro.

Die Wiener Begleitverordnung verschärft in gewohnter Weise. Nur zwei Beispiele: Kinder müssen ab sechs Jahren testen, und am Würstelstand gilt die 2G-Regel.

Was wäre für weitere Regelungen wünschenswert?

Die Grundrechte, die von den Covid-Regelungen tangiert werden, stehen im Verfassungsrang, die beiden zugrunde liegenden Gesetze jedoch nicht. Konkret geht es dabei etwa um die Freiheit der Erwerbsausübung, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit des Hausrechts oder die Freizügigkeit der Person. Die gesetzlichen Regelungen dürfen daher die berührten Grundrechte nur in adäquater, sachlich gerechtfertigter Weise einschränken – das gilt horizontal (inhaltlich) wie vertikal (befristet). Aus diesem Grund muss laut Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs der Hauptausschuss des Nationalrats die Regelungen auch regelmäßig (alle drei Wochen) verlängern.

Besonders sensibel ist das Verhältnis zum Grundrecht des Hausrechts. Die CovidV nehmen dazu eine unklare, ambivalente und teils unakzeptable Haltung ein. So wird in § 13 Abs. 6 Z 1 ("Zusammenkünfte") bestimmt, dass die dafür erlassenen Vorschriften nicht für "Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich, mit Ausnahme von Zusammenkünften an Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen, wie insbesondere in Garagen, Gärten, Schuppen oder Scheunen", gelten.

Daraus ergeben sich zwei Fragen: Erstens: Warum ist der private häusliche Bereich nicht überhaupt nach § 19 aus der V ausgenommen, wie es angebracht wäre? Zweitens: Steht es dem Verordnungsgeber offen, den privaten häuslichen Bereich so weit einzuengen, dass ein das Wohnhaus umgebender Garten nicht dazuzählt?

Nein, es steht ihm definitiv nicht frei, eine solche gravierende Einengung betreffend das "unmittelbare Wohnbedürfnis" zu treffen. Im AB zu BGBl I 104/2020 ist nachzulesen: "Der Begriff des privaten Wohnbereichs ist im Lichte der EGMR-Judikatur (EGMR, 24.11.1986, Beschw.Nr. 9063/80, Gillow gegen UK) weit auszulegen. Davon umfasst sind auch Nebengebäude zu Wohnungen und Häusern, wie beispielsweise Kellerabteile, Garagen etc. sowie Gärten und Wohnmobile." Die Bestimmung in der V ist daher klar gesetz- und überdies verfassungswidrig.
Reisebüros und Solarien wurden im letzten Lockdown interpretativ den "nicht körpernahen Dienstleistern" zugeordnet und durften daher offenhalten (!). Ähnlich argumentieren im Übrigen die Sportwettenbetreiber – richtiger wird es dadurch nicht. Alle genannten Bereiche sind Tourismus/Freizeitbetriebe. Eindeutige, nachvollziehbare Festlegungen in der Verordnung wären wünschenswert (die Begriffe werden zum Beispiel gesetzlich im WKO-Organisationsrecht abgegrenzt).

Bei den "Zusammenkünften" (§ 13) ist der Begriff des "Teilnehmers" nicht definiert. Aufgrund von Präzisierungen in früheren V (§ 10 Abs. 3 Covid-19-MaßnahmenV in der Form BGBl II 2020/485) dürfen wir davon ausgehen, dass darunter nur Besucher und im Falle von Interaktionen aktiv Teilnehmende (etwa die Läufer bei einer Laufveranstaltung) zu verstehen sind, nicht aber der Veranstalter mit seinem Personal, desgleichen Subunternehmer und Partner wie Gastronomie oder Security.

Im Sportbereich (§§ 7, 14) ist vielfach vorgesehen, dass ein Arzt ein Präventionskonzept ausarbeiten und laufend kontrollieren muss. Dabei bleibt unklar, ob dieser Arzt als Covid-19-Beauftragter anzusehen ist.

Welche besonderen Empfehlungen kann man dem Verordnungsgeber mitgeben?

Definieren Sie die verwendeten relevanten Rechtsbegriffe hinreichend oder verweisen Sie auf bereits in der Rechtsordnung enthaltene Definitionen – vermeiden Sie es, permanent "das Rad neu zu erfinden". Das gilt zum Beispiel für den im § 13 autochthon eingeführten Begriff der "Zusammenkünfte", der nunmehr statt "Veranstaltungen" verwendet wird, offenbar nicht nur Darbietungen, sondern auch Interaktionen erfasst, aber in keinster Weise definiert wird. Am besten ein § 1 mit Begriffsdefinitionen. Begriffe im Gesundheitsrecht sind nicht, wie in der Amtlichen Begründung zur V ohne Beleg behauptet, eigenständig zu interpretieren – nein, sie sind Teil der konsolidierten Rechtsordnung.

Beachten Sie daher den rechtsstaatlich gebotenen Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtssprache: Es kann nicht sein, dass der Bundesgesetzgeber etwa das Fremdenführergewerbe in § 109 der GewO regelt, und dann interpretiert das Bundesministerium diesen Bereich als "Veranstaltungen" ("Zusammenkünfte").
Treffen Sie eine eindeutige, klare Regelung für religiöse Stätten und Zusammenkünfte.

Sehen Sie vor, dass bei der Anzeige einer Zusammenkunft (§ 13) seitens der Behörde eine Anzeigebescheinigung auszustellen ist; derzeit ist keinerlei feedback vorgesehen; manche Gesundheitsbehörden bescheinigen Anzeigen proaktiv, viele Anzeigende telefonieren einem feedback nach, weil sie Rechtssicherheit haben wollen.

Schaffen Sie ein eindeutiges Übergangsrecht zwischen den in schneller Abfolge wechselnden V, wo klar geregelt wird, welcher Status wohlerworbenen Rechten zukommt, also vor allem Bewilligungen, die nach einer VorgängerV erteilt wurden oder analog solchen Anzeigen. Dabei enthält § 5 Abs. 7 Covid-19-MaßnahmenG dazu eigentlich eine klare Regelung: "Wird [. . .] eine Verordnung erlassen oder geändert und hat dies zur Folge, dass eine Zusammenkunft nicht mehr bewilligt werden könnte, darf eine bereits erteilte Bewilligung für die Dauer der Geltung dieser Rechtslage nicht ausgeübt werden. In dieser Verordnung kann davon abweichend angeordnet werden, dass bestehende Bewilligungen unter Einhaltung der Anordnungen dieser Verordnung, die im Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung nicht gegolten haben und hinreichend bestimmt sind, ausgeübt werden dürfen. In einem solchen Fall gelten die Bewilligungen für die Dauer der Geltung der neuen Rechtslage als entsprechend der Verordnung geändert."

Die V machen davon aber durchwegs nicht Gebrauch, woraus sich in der Praxis immer wieder das gravierende Problem ergibt, dass Gesundheitsbehörden, bei denen Anzeigen oder Bewilligungsansuchen eingebracht werden, eine Behandlung mit der Begründung ablehnen, der Zeitpunkt der Veranstaltung falle nicht mehr in den zeitlichen Geltungsbereich der jeweiligen geltenden V. Für die Betroffenen kommt dies einer Rechtsverweigerung gleich und schließt jegliche, im Eventbereich unerlässliche, Planungssicherheit aus.

Zum Schluss die obligate Frage:

Gibt uns die aktuelle Verordnung ein Winterrätsel mit auf den Weg?

Oh ja! Hier: Laut § 1 Abs. 6 Z 7 muss jedes Präventionskonzept Vorgaben zur Schulung der Mitarbeiter in Bezug auf Hygienemaßnahmen und die Aufsicht der Durchführung eines SAars-CoV-2-Antigentests zur Eigenanwendung enthalten. Den gibt’s aber gar nicht mehr. Darf daher auf eine solche Schulung verzichtet beziehungsweise der Punkt aus dem Konzept gestrichen werden?

Zusendungen geneigter LeserInnen bitte wieder sehr gerne an klaus.voegl@gmail.com, oder, falls eine Kontaktmöglichkeit bekannt: direkt an das leider unbekannte Redaktionsteam der Verordnungen.