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Der Lockdown und die Impfpflicht

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Das Alles-oder-nichts ist etwas für Hasardeure, aber nicht für Regierungen.


Es ist beeindruckend, wie wenig differenziert unsere Regierungen (vom Bund abwärts über Länder und Kammern bis zu Gemeinden) nach so langer Zeit agieren. Wider besseres Wissen setzen sie weiter auf kurzsichtige und populistische Maßnahmen und überlassen das Lernen anderen,

Wie war das etwa, als die Ampel-Karten eigeführt wurden - dezentral sollten Gemeinden und Bezirke Maßnahmen setzen und voneinander lernen. Geblieben ist davon nichts. Nicht einmal Bundesländer lernen voneinander, wenn man das Burgenland und Oberösterreich anschaut. Klar, lernen könnte man ja nur aus Fehlern, die will aber niemand gemacht haben.

Und jetzt ein Lockdown für alle und überall, weil Österreich "zu klein" sei und kein "Fleckerlteppich" werden solle. Und im Frühjahr kommt die allgemeine Impfpflicht. Keinerlei Gedanken, was man hätte anders machen können oder vielleicht noch könnte, keine Diskussion über Zielgruppen und Anreizmodelle, nein: "Die intensive Aufklärung hat nicht gereicht, jetzt kommt die Pflicht für alle" - hau drauf, und Schluss!

Unsere Regierungen haben es nicht geschafft, wenigstens ein paar Gruppen zu differenzieren und zielgruppengerecht zu agieren. In Österreich - und das ist nicht neu, wenn wir an die Masern-Impfdiskussion vor zwei Jahren denken - haben wir relativ wenige Befürworter. Die aktiven, also die, die nicht nur dafür sind, sondern auch aktiv impfen gehen, stellen etwa 60 Prozent. Dafür haben wir viele Gegner, die - dank der absurden eminenzbasierten Medizin, die ohne große Probleme jeden esoterischen Schmarren mit dem Qualitätssiegel "Arztvorbehalt" heiligt - in ihrer Evidenzleugnung gehätschelt werden. Doch auch wenn wir doppelt so viele wie üblich haben, stellen sie nur 5 bis 6 Prozent.

Und dann ist da die große Gruppe dazwischen. Diese reicht von "Ich bin eh dafür, hab aber noch keine Zeit gehabt" über "Mich freut es nicht, mich damit zu beschäftigen, und wenn die anderen gehen, auf mich kommt es nicht an" bis hin zu "Ich trau dem Ganzen nicht, weil ich dem System misstraue".

Diese inhomogene Gruppe erreicht man durch differenzierte und konsequente Aufklärung und Motivation. Aufklären heißt nicht, einfach immer wieder zu sagen: "Impfen ist sicher." Wer dem Sager nicht traut, traut auch nicht dem Gesagten! Das verfängt nur bei denen, die eigentlich nur motiviert werden müssen. Aber auch das ist nicht simpel. So kann etwa Geldbelohnung den Zweifel erhöhen - denn wenn "die" mir was zahlen, damit ich es nehme, dann ist es wohl nicht gut . . . Klar ist aber, dass Strafen am wenigsten bringen. Die führen sicher zum Schulterschluss mit denen, die dem System nicht trauen - und gemeinsam werden sie die Gegner stärken.

Aber so differenziert zu denken und zu handeln, liegt unseren Regierungen nicht. Lockdown und Impfpflicht für alle, weil die Ungeimpften unbelehrbar sind - das reicht. Wie gut das funktioniert, dazu eine kleine Anekdote: In meinem Bekanntenkreis gibt es eine dreiköpfige Familie, die Eltern akademisch gebildet, alle sind gegen alles geimpft - außer gegen Covid. Da sind sie echte Gegner geworden. Eine grandiose Leistung, aus Impfbefürwortern Impfgegner zu machen.