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Die letzte Kugel als Rohrkrepierer?

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Die Pandemie über den Sommer hinaus effektiv in den Griff zu bekommen, darf bezweifelt werden.


Alea iacta est. In Österreich gilt ab 1. Februar 2022 eine Corona-Impfpflicht. Die parlamentarische Mehrheit für die zu schaffende Rechtsgrundlage ist gesichert. Faktisch exekutiert soll die Impfpflicht ab 15. März werden. Die Notwendigkeit für diese Maßnahme ist das Ergebnis eines politischen und gesellschaftlichen Versagens.

Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, wie das österreichische Krisenmanagement funktioniert. Langfristige und vorausschauende Politikgestaltung mit klarer Kommunikation scheint nicht die Kernkompetenz der Österreicher zu sein. War am Anfang noch Troubleshooting in einer akuten Notlage angesagt, schlich sich im Lauf der Zeit immer mehr der für dieses Land so typische Schlendrian ein.

So wurde die Pandemie mehrfach als beendet erklärt, Vorbereitungen auf herannahende Wellen verschlafen und Corona-Regeln kaum oder gar nicht kontrolliert. ExpertInnen-Empfehlungen wurden großteils nicht nur ignoriert. Die Politik hat sogar gegenteilig gehandelt, wie der Gesundheitsminister nunmehr kleinlaut zugeben musste. Die Konsequenz: Troubleshooting ist wieder angesagt.

Nun soll die Impfpflicht das Ruder herumreißen. Doch ist das realistisch? Charles Ritterband berichtete einmal, ihm sei das österreichische Verhältnis zum Rechtsstaat so erklärt worden, dass, wenn etwas verboten sei, es nicht wirklich verboten sei - außer es sei "streng verboten".

In Anlehnung daran könnte man fragen: Wird es in Österreich nur verboten sein, ungeimpft zu bleiben, oder streng verboten? Betrachtet man die vorgesehenen Ausnahmebestimmungen von der Impfpflicht und die Möglichkeit von ärztlich attestierten Impfpflichtbefreiungen, so erhält man den Eindruck, dass es nur verboten sein wird.

Im Gesundheitsministerium geht man laut einem Dokument der Corona-Kommission noch davon aus, dass zwischen 650.000 und einer Million impfbare Personen der Impfpflicht jedenfalls nicht sofort nachkommen werden. Ob es unter diesen Bedingungen möglich sein wird, die Pandemie über den Sommer hinaus effektiv in den Griff zu bekommen, darf bezweifelt werden. Auch wird die Impfpflicht für die nächste Welle wohl zu spät kommen. Omikron klopft schon an die Tür.

Die Impfbereitschaft müsste dringend erhöht werden. Aber muss man dafür sofort die Impfpflichtkeule auspacken? In einer aktuellen Studie konnten Kevin Kloiber, Andreas Peichl und Hannes Winner jedenfalls belegen, dass schon die Ankündigung und Umsetzung der 2G-Regel eine merkliche Erhöhung der Impfbereitschaft gebracht hat.

Der Lockdown für Ungeimpfte, der allgemeine Lockdown und die Ankündigung der Impfpflicht hatten demnach deutlich geringere Effekte. Außerdem steht noch ein Arsenal von Anreizen zur Verfügung, das noch immer nicht ausgeschöpft ist: Impfprämien, Ausdehnung der 3G-Regeln auf den öffentlichen Verkehr, Abschaffung kostenloser Covid-19-Tests für Ungeimpfte, Ausweitung von 2G auf weitere Bereiche, Aufklärung und Impfung vor Ort und vieles mehr. Der Teufel scheut bekanntlich das Weihwasser, die österreichische Politik - so konnte man in der Pandemie den Eindruck gewinnen - das Setzen klarer Anreize.