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Die Schrumpflation greift um sich

Von Ned Naylor-Leyland

Gastkommentare
Ned Naylor-Leyland ist Head of Gold & Silver bei der britischen Fondsverwaltungsgruppe Jupiter Asset Management.
© Jupiter Asset Management

Verschiedene Hersteller geben höhere Input-Preise durch reduzierte Produktmengen zum selben Preis an die Verbraucher weiter. Das macht Gold als Absicherung gegen Kaufkraftverlust attraktiv.


Was ist denn mit der Tafel Schokolade passiert? Sie wog doch bisher immer 100 Gramm - jetzt sind es nur noch 90 Gramm, aber der Preis ist derselbe. Und die Chipstüte? Sie ist nun um einige Kartoffelscheiben leichter und hat einen neuen Namen bekommen. Die "Shrinkflation" (Schrumpfflation) ist zurück.

Das Phänomen ist zwar nicht neu, greift aber momentan stark um sich und wird wohl auch so schnell nicht wieder verschwinden. Ein prominentes Beispiel ist jenes des Toblerone-Herstellers, der die Abstände zwischen den Zacken seines unverwechselbaren Schokoriegels erst vergrößerte, diese Entscheidung nach empörten Kundenreaktionen aber dann wieder rückgängig machte. Die Schrumpfflation ist eine Folge steigender Input-Preise und sinkender Margen der Konsumgüterhersteller und ein schleichender, kontinuierlicher Prozess.

Die Notenbanken werden nicht viel tun können, um die Inflation zu zähmen, ohne die Finanzmärkte zu verunsichern und die globale Schuldenproblematik zu verschärfen. Obwohl sie sich derzeit auf einem schmalen Grat bewegen, hat der Markt für das kommende Jahr bis zu drei Zinserhöhungen der Fed eingepreist. Eine derartige Straffung könnte eine Weltwirtschaft, die bereits an Fahrt verliert, komplett ausbremsen und würde die Kosten der Finanzierung des enormen globalen Schuldenbergs erhöhen. Erlebt haben wir das schon einmal, als die Fed im Jahr 2018 zu aggressiv wurde. Ein solcher geldpolitischer Fehltritt könnte sich wiederholen.

Geldschwemme gleich Kaufkraftverlust?

Im aktuellen wirtschaftlichen und politischen Umfeld ist es sehr wichtig, einen Vermögenswert zu halten, der seine Kaufkraft behält. Die Regierungen haben riesige Mengen an Bargeld gedruckt und keine Ausgaben gescheut, um der Wirtschaft nach der Pandemie - und davor bereits nach der globalen Finanzkrise - wieder auf die Beine zu helfen. Die aufgeblähten Bilanzen der extrem locker ausgerichteten Zentralbanken haben bedeutende Auswirkungen auf die künftige Kaufkraft und die Produktivität der Realwirtschaft.

Gold wird mitunter als Inflationsschutz bezeichnet, dient aber eigentlich zur Absicherung gegen einen Kaufkraftverlust - ein für die breite Öffentlichkeit sehr viel verständlicheres Konzept. Gold kann helfen, ein Portfolio vor den Auswirkungen der Inflation zu schützen. Angesichts struktureller Probleme der Geldpolitik und anhaltender und sich weiter verschärfender Lieferkettenprobleme ist das aktuelle Umfeld geradezu ideal für eine Anlage in Gold. Eine Allokation in Gold oder einen aktiv gemanagten Gold- und Silberfonds kann helfen, diese zunehmenden Risiken auszugleichen.

Der Goldpreis bewegt sich in der Regel gegenläufig zu den realen Zinsen - der Verzinsung einer Anleihe oder Geldeinlage nach Abzug der Inflation. In den USA sind die Realzinsen seit einiger Zeit negativ. Das bedeutet, dass viele Inhaber von US-Staatsanleihen nach der Inflation mit Verlusten rechnen müssen. Angesichts des schwierigen Balanceakts der Zentralbanken, die zwischen Zinserhöhungen und einem steigenden Inflationsdruck abwägen müssen, dürfte sich dies auch nicht in absehbarer Zeit ändern.

Gold ist natürliches und solides Geld und wird von den Zentralbanken traditionell zur Absicherung gegen Inflation und Marktrisiken verwendet. Fed, EZB und andere Notenbanken halten nicht umsonst hohe Goldreserven, im Bewusstsein, dass Gold die wirklich risikofreie Form des Geldes ist und ein viel besserer Wertspeicher als Euro, US-Dollar, Pfund - oder Schokolade.