Vor 30 Jahren zerfiel die Sowjetunion. Am Christtag 1991 verkündete Michail Gorbatschow seinen Rücktritt als Staatspräsident und ließ die rote Fahne vom Kreml einholen. Bereits am 8. Dezember hatten Vertreter der Republiken Belarus, Russland und Ukraine in einem staatlichen Waldhotel in Belarus den Vertrag zur Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) ausgehandelt. Gorbatschow hatte vergeblich versucht, sie durch ein neues Staatenmodell zu retten. Vor allem die Ukrainer hatten zuvor in einem Referendum zu mehr als 92 Prozent für die Unabhängigkeit gestimmt. Auch die drei baltischen Staaten sowie Kasachstan wollten nicht mehr nach der Pfeife des Kreml tanzen.

Otmar Lahodynsky ist Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ), die er von 2014 bis 2021 leitete. Er war Redakteur beim Nachrichtenmagazin "profil". 
- © privat

Otmar Lahodynsky ist Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ), die er von 2014 bis 2021 leitete. Er war Redakteur beim Nachrichtenmagazin "profil".

- © privat

Vier der letzten noch lebenden Unterzeichner des Auflösungsvertrags der Sowjetunion nahmen vergangenen November an einem Seminar in der Diplomatischen Akademie in Wien teil. Die alten Herren zeigten bis heute Emotionen: Die UdSSR sei ein großartiges Land gewesen. Nur Russlands früherer Vizepremier Gennady Burbulis erinnerte an die Verbrechen im totalitären Staat. Doch der Vertrag habe Bürgerkriege, die sonst beim Zerfall von Imperien ausbrechen, verhindert.

Im Vertrag wurde die territoriale Integrität der neuen Republiken festgehalten. Auch über die Aufteilung der später an Russland abgegebenen Atomwaffen wurde schon damals gesprochen. Vertraglich fixiert wurde das aber erst im Budapester Memorandum 1994, als Russland, die USA und Großbritannien Belarus, Kasachstan und der Ukraine als Gegenleistung für deren Verzicht auf Nuklearwaffen die Achtung der staatlichen Souveränität samt bestehender Grenzen zusicherten.

Es war Russlands Präsident Wladimir Putin, der diese Vereinbarung mit der Annektierung der Krim und der Unterstützung der Rebellen in der Ostukraine völkerrechtswidrig gebrochen hat.

Und Putin trauert auch der Sowjetunion, deren Ende er schon 2005 als "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichnete, nach. Vor allem die Ukraine will er mit bedrohlichen Truppenaufmärschen vor einer weiteren Annäherung an den Westen abhalten.

Mit einem Katalog von Forderungen an die Nato-Mitglieder hat Putin die Drohkulisse weiter aufgebaut und damit auch Verhandlungen mit den USA erschwert. Und mit seiner Unterstützung für europafeindliche rechtspopulistische Parteien untergräbt er auch die Einheit der EU. Politiker, die mehr Dialog mit Putin fordern, übersehen die wiederholte Ablehnung solcher Initiativen durch die Kreml-Führung. So hat der russische Außenminister Sergej Lawrow den EU-Außenpolitik-Koordinator Josep Borrell vergangenen Februar in Moskau auf einer Pressekonferenz regelrecht gedemütigt.

Putin bastelt an einer Ausweitung der russischen Einflusssphäre in Osteuropa und auf dem Balkan. Gleichzeitig regiert er immer autoritärer, lässt Oppositionelle vergiften oder in Gefängnisse wegsperren. Nun wurde die angesehene Menschenrechtsorganisation Memorial aufgelöst. Die EU sollte sich gegen neue Attacken aus Moskau - durch Trolle, Fakenews und Einmischung in Wahlen - wappnen.