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Der Euro hat die Reifeprüfung bestanden

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky ist Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ), die er von 2014 bis 2021 leitete. Er war Redakteur beim Nachrichtenmagazin "profil".
© privat

Trotz mancher Probleme hat die Gemeinschaftswährung zur Stabilität der EU viel beigetragen.


Mit Sicherheit können sich die meisten Österreicher an den 1. Jänner 2002 erinnern, als sie in der Silvesternacht erstmals statt Schilling neue Euro-Scheine aus den Bankomaten zogen. Ich verbinde eine besondere Erinnerung mit der Einführung des Euro-Bargeldes vor 20 Jahren. Denn ich habe am Neujahrstag 2002 den damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi in Wien interviewt. Er lobte das Design der Banknoten, das vom Österreicher Robert Kalina stammt. Als ich einwendete, dass keine Persönlichkeiten, nur abstrakte Baustilelemente zu sehen sind, meinte er, man hätte schon auch Goethe, Dante oder Molière abbilden können, "aber dann hätte der Streit darüber begonnen, wer auf die höchsten Banknoten draufkommt". Prodi betonte auch, dass der Euro die europäische Wirtschaft stärken und viel zur Entwicklung einer europäischen Identität beitragen werde.

Heftige Geburtswehen

Und diese Prognose hat sich bewahrheitet. Kaum ein anderes Element wird so mit der Europäischen Union in Verbindung gebracht wie die gemeinsame Währung. Vor allem für jüngere Menschen ist der Euro, der nun in 19 Ländern der EU, die gemeinsam die Eurozone bilden, sowie in sechs weiteren europäischen Staaten offizielles Zahlungsmittel ist, selbstverständlicher Bestandteil ihres Alltags, besonders bei Reisen, geworden. Im EU-Binnenmarkt erleichterte und förderte der Euro den grenzüberschreitenden Handel. Und auch international hat sich der Euro bewährt, indem er rasch zur wichtigsten Reservewährung der Welt nach dem US-Dollar wurde.

Die Geburtswehen der gemeinsamen Währung fielen aber heftig aus. Vor allem die deutsche Regierung wusste, dass eine Mehrheit der Deutschen an der D-Mark festhalten wollte. Doch der Euro war auch der Preis für die Zustimmung Frankreichs zur deutschen Wiedervereinigung. Und der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl sah in der gemeinsamen Währung eine Chance für das weitere Zusammenwachsen der EU-Staaten. Auf deutsches Drängen wurden zuvor eine Obergrenze für die jährliche Neuverschuldung (3 Prozent) und für die Gesamtschulden (60 Prozent des BIP) eingeführt und im "Stabilitäts- und Wachstumspakt" verankert. Doch als sogar Länder wie Deutschland und Frankreich gegen diese Auflagen verstießen, wurden nicht - wie vorgesehen - Sanktionen verhängt. Das animierte auch kleinere Länder zur Schuldenaufnahme.

Bis heute wird dem Euro auch vorgeworfen, ein "Teuro" zu sein, also Preissteigerungen ausgelöst zu haben. Tatsächlich waren die Inflationsraten aber während der Schilling-Periode höher. In manchen Bereichen - etwa in der Gastronomie - führte der Euro jedoch bald nach der Einführung zu merkbaren Preissprüngen. In Österreich wurden so aus 10 Schilling oft gleich 1 Euro (13,76 Schilling). Vor allem US-Experten hatten dem Euro ohne gemeinsame Finanzpolitik mit harmonisierten Steuersätzen keine lange Zukunft gegeben. Tatsächlich führten Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzdefiziten, ausgelöst durch mit zu hoher Kreditaufnahme ausgelöster Inflation, bald zu großen Problemen in der Eurozone.

Mario Draghi rettete den Euro

Am meisten betroffen waren die sogenannten GIISP-Länder (Griechenland, Italien, Irland, Spanien und Portugal). Vor allem in Griechenland, das mit geschönten Statistiken in die Eurozone aufgenommen worden war, konnte 2010 der drohende Staatsbankrott, der womöglich das Ende des Euro bedeutet hätte, nur mit umfangreichen Finanzhilfen und drastischen Sparplänen verhindert werden. Der seinerzeitige EZB-Präsident Mario Draghi konnte 2012 Attacken auf den Euro durch Finanzspekulanten durch die Zusage, Anleihen von EU-Staaten notfalls unbegrenzt aufzukaufen, abwehren. Damit rettete der Italiener, heute Premierminister seines Landes, den Euro.

Doch seither fühlen sich Euro-Gegner, die immer vor einer "Schuldenunion", bei der Länder mit ausgeglichenen Budgets Defizitsündern zur Hilfe eilen müssen, gewarnt haben, in ihren Befürchtungen bestätigt. In jüngster Zeit wuchs die Kritik an der Vorgehensweise der Europäischen Zentralbank, trotz höheren Inflationsraten an den niedrigen Zinsen festzuhalten und damit vor allem Spareinlagen zu entwerten. Mit den Milliarden-Hilfen zur Ankurbelung der von der Pandemie geschädigten Wirtschaft hat sich die EU noch weiter von den Stabilitätskriterien entfernt. Aber die neue deutsche Regierung hat angekündigt, bei den Corona-Hilfsgeldern auch auf die von der Pandemie härter betroffenen Länder nicht zu vergessen. Sogar der deutsche Finanzminister Christian Lindner von der FDP, der zuvor stets eine "Schuldenunion" ausgeschlossen hat, zeigt sich nun kompromissbereit, weil Deutschland auch eine Verantwortung für die politische Stabilität der gesamten EU und den Zusammenhalt der Eurozone trage.

Derzeit studiert die EZB die Möglichkeit eines "digitalen Euro" als Ergänzung zum Bargeld. Die Bilanz der gemeinsamen europäischen Währung fällt also insgesamt positiv aus. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind drei Viertel der Österreicher davon überzeugt, dass der Euro langfristig Bestand haben wird. 57 Prozent haben viel Vertrauen in den Euro, 39 Prozent nur wenig. Weitere EU-Länder wie Polen oder Kroatien überlegen einen Beitritt zur gemeinsamen Währung. Zum 20. Geburtstag gilt daher die Bewertung: Der Euro hat bisher alle Krisen überstanden und so auch wesentlich zur Stabilität der EU beigetragen.

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