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Energiewende - vorwärts in die Vergangenheit?

Von Anton Fischer

Recht
Anton Fischer ist Wirtschaftsanwalt in Österreich mit internationaler Erfahrung und in England & Wales zugelassener UK Solicitor. Neben seiner auf Gesellschafts-, Transaktionsrecht und Brexit spezialisierten Rechtsberatung ist der Gründer von FISCHER FLP Lehrbeauftragter an der University of Birmingham für Internationales Handelsrecht. Mehr Infos zum EU-Recht auf www.flp-legal.com.
© privat

Eine Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie Verordnung würde für Österreich zu einem Dilemma führen.


2022 könnte energiewirtschaftlich nicht nur Gutes bringen. Während der Fokus in Österreich wie auch in Deutschland klar auf die Nutzung erneuerbarer Energien aus Wasser, Wind und Sonne gerichtet ist, fordern namhafte EU-Mitglieder wie Frankreich, die Niederlande, Belgien oder Finnland seit vergangenem Jahr die vermehrte Nutzung von Kernenergie. Sicherheitsbedenken werden durch den Verweis verbesserter Technologien von der Hand gewiesen. Die Energiewende wäre nur durch Nutzung von Kernenergie zu erreichen.

Die angebliche Nachhaltigkeit von Atomkraft soll rechtlich verankert werden. Bei der sogenannten Taxonomie Verordnung handelt es sich um einen EU-Rechtsakt, mit welchem verschiedene Wirtschaftsbereiche als nachhaltig bzw. umweltfreundlich eingestuft werden. Ziel ist die vor allem Anleger unterstützende Zurverfügungstellung verlässlicher Information über nachhaltige Finanzprodukte.

Klimaneutrale Energie

Die Verordnung befasst sich unter anderem mit klimaneutraler Energie. Bewertet werden der potenzielle Beitrag und die Durchführbarkeit sämtlicher bestehender Technologien. Zur positiven Bewertung muss eine wirtschaftliche Tätigkeit einen positiven Beitrag zu bestimmten Umweltzielen wie insbesondere Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Abfallvermeidung und Recycling oder Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung leisten, ohne in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden.

Für Kernenergie ist die Bewertung noch ausständig. Auf Drängen der Atomkraft-Befürworter soll diese aber möglichst bald als nachhaltig eingestuft werden. Die Entscheidung der EU über die Aufnahme von Atomkraft in die Liste nachhaltiger Energieformen soll bereits Mitte Jänner erfolgen.

Eine Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie Verordnung würde für Österreich insofern zu einem Dilemma führen, als hierzulande die Abkehr von der Nutzung von Kernenergie durch das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich sogar verfassungsrechtlich verankert wurde. Danach dürfen Anlagen, die dem Zweck der Energiegewinnung durch Kernspaltung dienen, in Österreich nicht errichtet beziehungsweise in Betrieb genommen werden. Auch die Beförderung von spaltbarem Material auf österreichischem Staatsgebiet ist generell untersagt. Dies spiegelt unsere grundsätzliche Einstellung zur Atomkraft wider.

Als Rechtsakt im Verfassungsrang zählt das Gesetz zwar zu den Grundlagen unserer Rechtsordnung und genießt Vorrang vor einfachen Gesetzen. Jedoch gilt dies nicht im Verhältnis zu nationalem Recht widersprechendem EU-Recht. Der Taxonomie Rechtsakt genießt als Verordnung direkte Anwendung in den Mitgliedstaaten ohne die Notwendigkeit der Erlassung rationaler Rechtsakte zur Umsetzung. Die Klassifizierung wäre von Österreich daher verpflichtend anzuwenden. Das führt dazu, dass aus Atomkraft gewonnene Energie auf gleichem Level anzuerkennen wäre wie jene aus anderen alternativen Energieformen, obwohl dies gegen diametral zu unserer Einstellung zur Atomkraft stünde.