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Österreich am Unesco-Pranger

Von Christian Schuhböck

Gastkommentare
Christian Schuhböck ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Naturschutz, Landschaftsökologie und Landschaftspflege, spezialisiert auf Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Nationalparks und Unesco-Welterbegebiete.
© Alliance For Nature

Großbauvorhaben von Wien bis zum Semmering gefährden den Status von Welterbestätten.


Seit rund 20 Jahren zählt das "Historische Zentrum von Wien" zum "Welterbe der Menschheit". Im Jahr 2000 erfolgte die Nominierung, 2001 die Aufnahme ins Unesco-Welterbe. Doch bereits 2002 drohte der Stadt aufgrund des Hochhausprojektes Wien-Mitte die Aberkennung des Welterbestatus. Die Stadtregierung zog daraufhin die Notbremse und erteilte dem Projekt eine politische Absage. 15 Jahre später, im Jahr 2017, beschloss der Wiener Gemeinderat eine Flächenumwidmung zugunsten des Hochhausprojektes Am Heumarkt. In der Folge steht Wien nun abermals am internationalen Pranger der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten, gemeinsam mit Staaten wie Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien.

Heumarkt-Hochhausprojekt als Fall für mehrere Gerichte

2018 startete deshalb die Umweltorganisation Alliance For Nature eine Initiative zur Rettung des Unesco-Welterbes "Historisches Zentrum von Wien" mit einem "Memorandum zum Schutz des Weltkultur- und Weltnaturerbes Österreichs" und einem Appell an die verantwortlichen Politiker, alle dafür notwendigen Maßnahmen zu setzen. Dennoch stellte die Wiener Landesregierung noch im selben Jahr auf Antrag der WertInvest-Gesellschaft einen Feststellungsbescheid aus, demgemäß für das Hochhausprojekt Am Heumarkt keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei. Dagegen erhob Alliance For Nature Beschwerde.

Die Projektwerberin suchte trotz mangelnder Rechtskraft des UVP-Feststellungsbescheides um Baubewilligung an, zog ihren Feststellungsantrag aber zurück, als das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) 2019 ein Beschwerdeverfahren einleitete. Dieses wurde dennoch durchgezogen, und das BVwG kam in seinem Erkenntnis zum Schluss, dass für das Hochhausprojekt Am Heumarkt sehr wohl eine UVP durchzuführen sei. Dagegen wehrte sich wiederum die Wiener Landesregierung im Mai 2019, sodass es zu einem Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) kam. Zudem erhob die Betreibergesellschaft Beschwerde gegen das BVwG-Erkenntnis, sodass sich auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit dem Städtebauvorhaben befassen musste.

2021 hob dann der VwGH das BVwG-Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit auf, da die Betreibergesellschaft den UVP-Feststellungsantrag zurückgezogen hatte. Er entschied in seinem Erkenntnis jedoch nicht über die UVP-Pflicht des umstrittenen Städtebauvorhabens, sondern hielt bloß fest, dass die Frage einer UVP-Pflicht in einem materienrechtlichen Verfahren vorgebracht werden könne. Währenddessen blieb das 2018 eingeleitete Baubewilligungsverfahren beim Magistrat der Stadt Wien anhängig. In Reaktion auf das jahrelange Zuwarten des Magistrats brachte die Bauwerberin im März 2021 eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wien (VGW) ein. Im September 2021 fasste schließlich das VGW den Beschluss, das Städtebauvorhaben Am Heumarkt zwecks Vorabentscheidung mehrerer Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.

Touristische Gigantomanie am Neusiedler See

Schon 2017 erstellte Alliance For Nature eine umfangreiche Dokumentation über die zunehmende Verbauung des Neusiedler Sees, die in weiterer Folge an den Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos) übermittelt wurde. In den darauffolgenden Jahren wurde auch das Unesco-Welterbezentrum laufend über Beeinträchtigungen des Neusiedler Sees informiert. Im Juni 2021 übermittelte schließlich die Unesco dem Botschafter Ungarns einen Icomos-Bericht, laut dem das Projekt "Sopron Fertö Lake Resort" in seiner Größe und Form der Authentizität und Integrität der Welterbestätte "Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See" schaden und der außergewöhnliche universelle Wert dieses Gebietes beeinträchtigt werden würde.

Auch die Tourismusprojekte in Österreich werden im Icomos-Bericht angeprangert. Doch unbeeindruckt davon wird das gigantische Tourismusprojekt in Fertörakos derzeit umgesetzt. Laut Icomos-Bericht nimmt die Phase I des Tourismusprojektes eine Fläche von fast 800 Metern entlang der Seeküste und 400 Metern landeinwärts ein. Dieser Bereich umfasst einen Kanal, der die neue Anlage vom Festland trennt und in eine künstliche Insel umwandelt, unterteilt in einen Hafen- und einen Landbereich. Der Hafen soll Yachten, Segel- und Paddelbooten dienen. Zusätzlich zu einem separaten Fährhafen mit dazugehörigen Gebäuden sollen an Land neben etlichen Sportanlagen, Restaurants und einem Besucherzentrum 2 Motels, 37 Bungalows, 25 Wohnmobil-, 45 Zelt- sowie 880 Parkplätze entstehen.

In Phase II soll eine weitere künstliche Insel in Richtung Norden geschaffen und mit einem für 430 Boote ausgelegten Hafen ausgestattet werden. Zusätzlich zu einem etwa 500 Meter langen Resort direkt am Seeufer soll ein dreistöckiges Vier-Sterne-Hotel samt Restaurant, Wellnessbereich und Parkplatz mit 200 Stellplätzen an der Nordspitze der Insel errichtet werden. Da das völlig überdimensionierte Tourismusprojekt in Fertörakos fortgesetzt wird, wurde im November 2021 nochmals an die Unesco appelliert, die "Kulturlandschaft Fertö/
Neusiedler See" auf die Rote Liste gefährdeter Welterbestätten zu setzen.

Verkarstung durch den Semmering-Basistunnel?

Schon seit rund 30 Jahren warnen Umweltschützer vor Eingriffen in den natürlichen Wasserhaushalt der Semmering-Region infolge des Baues des umstrittenen Semmering-Basistunnels zwischen Gloggnitz (Niederösterreich) und Mürzzuschlag (Steiermark). Die zuständigen Politiker wie auch die Behörden und Gerichte (BVwG, VwGH) haben jedoch die Warnungen ignoriert.

Zu Ostern 2019 kam es dann im Zuge des Tunnelvortriebes in Aue (Niederösterreich) tatsächlich zum ersten schweren Wasser- und Erdmasseneinbruch samt Einsturz der Erdoberfläche und Kraterbildung. Der zweite schwere Wassereinbruch ereignete sich dann Ende Juni 2019 in Göstritz, infolgedessen der Göstritz- und Auebach sowie die Schwarza (Niederösterreich, Bezirk Neunkirchen) verunreinigt wurden. Wie der "Kurier" im Dezember 2021 berichtete, werden immer noch mehr als 10 Millionen Liter Wasser pro Tag (!) dem Bergmassiv entzogen, weil die angebohrte, Bergwasser führende Kluft bis dato nicht abgedichtet werden konnte.

Somit stellt sich abermals die Frage, ob eine Fahrzeitverkürzung von gerade einmal etwas mehr als 20 Minuten einen derart massiven Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt des Semmerings, in das niederösterreichische Landschaftsschutzgebiet "Rax/Schneeberg" sowie in das Europa-Schutzgebiet "Nordöstliche Randalpen: Hohe Wand/
Schneeberg/Rax" rechtfertigt. Außerdem ist zu befürchten, dass die Semmering-Region im Laufe der Jahrzehnte verkarsten könnte, sollte das in den Tunnel eindringende Bergwasser bloß über Fächerdrainagen und Rohre abgeleitet werden.