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Bürgerrechte - Staatsauftrag oder leere Hülse?

Von Alexander F. S. Putzendopler

Gastkommentare
Alexander F. S. Putzendopler ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien und Rechtspfleger von MKV und ÖCV. Der vorliegende Text ist auch im MKV-Magazin "Couleur" erschienen.
© David Faber

In der Bekämpfung der Pandemie konnte sich der einzelne Bürger mitunter nicht mehr auf eine grundlegende Rechtssicherheit verlassen.


Befeuert durch die Corona-Pandemie, hat auch der öffentlich geführte Diskurs betreffend Bürgerrechte in beeindruckender Intensität Platz gegriffen - leider der Sache schadend oft in Formen, die an des Pudels Kern grob vorbeigeschrammt sind. Die Grund- und Freiheitsrechte, die Menschenrechte sowie die damit verbundenen Nebenbestimmungen (zur besseren Lesbarkeit in diesem Beitrag kurz als Bürgerrechte bezeichnet) sind in ihrer Historie und ihrem Zweck schlicht eines: Schutz- und Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat und seine Büttel, nicht mehr und nicht weniger. Diese aus den Idealen der Aufklärung entstandenen Rechtsbündel sind elementarer Baustein des rasenden und beeindruckenden wissenschaftlichen und moralischen Aufschwungs der Welt in den vergangenen Jahrhunderten.

Lediglich ein Sozialgefüge, das dem einzelnen Mitbürger das verbriefte beziehungsweise gesatzte Recht einräumt, sich der geltenden Regulatorien, die für jedermann einsichtig sind, unterwerfen zu müssen, nicht aber der Willkür von (aus welchen Gründen auch immer) Mächtigen, ermöglicht durch eben diese Rechtssicherheit gegenüber dem Staat ein grundsätzlich plan- und vorhersehbares Leben zumindest hinsichtlich der Rahmenbedingungen.

Strafen und Maßnahmen, die es so nicht hätte geben dürfen

Nicht jedoch regeln die Bürgerrechte das Verhältnis der Zeitgenossen untereinander. Dies ist schlicht nicht deren Aufgabe und wäre auch überbordend. Für die kleinteiligeren rechtlichen Rahmenbedingungen hat der Gesetzgeber (im Auftrag des Volkes) die Ausgestaltung zu schaffen, beziehungsweise - man glaubt es kaum - lassen sich etliche vermeintliche oder echte zwischenmenschliche Probleme durch Einsatz der seltsamen Masse zwischen den Ohren aus der Welt schaffen.

Was aber hat all dies mit der eingangs erwähnten Pandemie zu tun? Eine ganze Menge. Ohne auf die globale Situation einzugehen beziehungsweise mangels Expertise eingehen zu können, seien die folgenden Absätze auf Österreich beschränkt. Im Rahmen der notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 wurden zahllose Rechtsakte gesetzt, die bestenfalls von grottenschlechter handwerklicher Qualität waren, schlechtestenfalls schlicht verfassungswidrig, wie zahllose "Heber" durch den VfGH gezeigt haben.

Dennoch wurden aufgrund dieser legistischen Ungetüme zahllose Strafen verhängt und Maßnahmen gesetzt, die es so nicht hätte geben dürfen. Genau dies ist aber das Problem: Der einzelne Bürger konnte sich eben nicht mehr auf eine grundlegende Rechtssicherheit verlassen, sondern musste behördliche und legistische Willkürakte (beispielsweise nur eine "Verordnung ohne Gesetz") über sich ergehen lassen.

Um wohlverstanden zu sein: Der Autor begrüßt selbstverständlich jegliche notwendige Maßnahme zur Eindämmung der größten gesundheitlichen Gefährdung des Menschen seit Jahrzehnten. Dennoch muss dies in einem rechtlich akzeptablen Modus vollzogen werden, widrigenfalls von unserem vielberühmten Rechtsstaat nicht mehr als eine ausgelaugte Hülle übrigbleiben kann. Die Nonchalance, mit der ehemals führende Politiker dieses Staates mit dem liberalen Rechtsstaat westlicher Prägung umzugehen pflegten, ist unseres schönen Landes nicht würdig.

Soziale und emotionale Eigenverantwortung

Nun wurde - in engst verzahntem Zusammenhang mit den Bürgerrechten stehend - eine allgemeine Covid-Impfpflicht eingeführt. Diese stellt einen gravierenden Eingriff in die körperliche Integrität dar, und zwar nicht wegen des kleinen Stichs oder angeblich eingepflanzter Chips, sondern ob der grundsätzlichen körperlichen Unversehrbarkeit des Menschen durch den Staat und das Verbot erzwungener Heilbehandlungen. Eine direkte Verpflichtung zur Impfung (wogegen auch immer) kann somit aus liberaler und verfassungsrechtlicher Sicht nicht befürwortet werden. Schon allerdings ist eine indirekte Einführung derselben sehr wohl möglich und zu befürworten. Es liegt dann eben in der freien Entscheidung des Einzelnen, ob er die Impfung für sich beansprucht oder traurig vor verschlossenen Wirtshaustüren zu stehen hat.

Denn eines darf bei all den hitzigen Diskussionen nicht vergessen werden: Es handelt sich hier eben nicht nur um eine Frage, die den Einzelnen angeht, sondern im schlimmsten Fall eine große Anzahl an Menschen der eigenen Umgebung. Es gilt somit, wiewohl es in Zeiten kollektiver Verblödung schwerfällt, an den Menschenverstand und die soziale und emotionale Eigenverantwortung zu appellieren. Nicht aber darf die Situation zu einer neuen Regelungsmaschinerie seitens der Obertanen führen, hat doch schon Charles Baron de Montesquieu trefflich festgehalten: "Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen."