Zum Hauptinhalt springen

Servus

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Über Risiken und Nebenwirkungen beim Grüßen.


Es wird auch an dieser Stelle höchste Zeit, die Weisheit des Satzes zu preisen, wonach Deutsche und Österreicher durch ihre gemeinsame Sprache getrennt sind. Anscheinend ist er nicht von Karl Kraus, dem man ja eigentlich Kluges nicht eigens in den Mund legen müsste. Aber die Herkunft der Redensart ist vielleicht auch weniger wichtig als diese Information: Ab jetzt darf sie als bewiesen gelten. Denn in unserer repräsentativen Umfrage über das österreichische Deutschland-Bild haben 96 Prozent der Befragten angegeben, dass sie eine Deutsche oder einen Deutschen vor allem an der Sprache erkennen. Andere Merkmale wie Kleidung, Aussehen oder Auftreten rangieren klar dahinter. Was und wie wir sprechen, macht uns in Österreich zu Deutschen - wenn das kein Beweis für die Trennung durch gemeinsame Sprache ist!

Das Studienergebnis deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen aus zweieinhalb Jahren in Österreich. "Guten Morgen!" So manches Mal hatte ich den Eindruck, dass sich die Raumtemperatur ein wenig änderte, wenn ich mit dieser Grußformel einen Laden oder ein Gasthaus betrat. Mit "Hallo" oder "Tschüss" verhielt es sich nicht viel anders. Auf dem Rad habe ich es gelegentlich mit einem landestypischeren "Grüß Gott" oder "Servus" versucht, aber auch bei 25 km/h blieb mein Akzent nicht unbemerkt.

Dabei ist gerade "Servus" ein praktischer Begriff, weil er zur Begrüßung und zum Abschied gebraucht werden kann; so etwas kannte ich in meinem Wortschatz noch nicht. Allerdings sollte man um die Nebenwirkungen wissen, hat mir ein österreichischer Freund erläutert: Manchmal wunderten sich Deutsche über zutrauliches Duzen seitens Österreichern, die man doch eben erst getroffen habe. Dabei hätten dieselben Deutschen mit dem vertraulichen "Servus", das hierzulande eher in Duzbeziehungen üblich sei, doch selbst eine falsche Fährte gelegt.

In meiner Kolumne hatte ich in anderthalb Jahren Gelegenheit, der Vielfalt dieser Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen unseren Nationen nachzuspüren, die sich so oft in der Sprache spiegeln. So manche Leser haben darauf mit witzigen eigenen Erfahrungen reagiert; einer schickte mir neulich ein Buch über "Das Wienerische" aus dem Jahr 1924, bei dessen Lektüre ich aus dem Staunen nicht herauskam.

Vielleicht erklärt das auch ein wenig, warum ich jetzt einer anderen Redensart (auch nicht von Kraus) folge: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Danke für die Offenheit, die Sie dieser deutsch-österreichischen Kolumne entgegengebracht haben. Ich gebe zu, es schwingt ein wenig Wehmut mit, wenn ich beim Abschied "Servus" sage.