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Steuerreform in der Krise - die verpasste Chance

Von Mattias Muckenhuber

Gastkommentare
Mattias Muckenhuber ist Ökonom bei der sozialliberalen Denkfabrik Momentum Institut.
© Ingo Pertramer

Unser Steuersystem verletzt zentrale Grundsätze der Steuergerechtigkeit.


Der Nationalrat hat die "ökosoziale Steuerreform" nun beschlossen. Nicht zuletzt, um die angeblich zu hohe Steuer- und Abgabenquote zu senken. Zu der nur temporär wirksamen Abgeltung der kalten Progression schummelt sich aber auch eine dauerhafte Steuersenkung für große Konzerne. Der Mut, für ein Steuersystem zu sorgen, in dem die Beiträge gerecht verteilt sind, fehlte: Weiterhin werden drei Viertel der Steuereinnahmen von Arbeitnehmern, Konsumenten und Selbständigen geschultert. Nicht einmal ein Zehntel kommt von großen Unternehmen und Vermögen.

Die Rede von allgemeiner "Entlastung" unterschlägt, wie Steuern und Abgaben im Vergleich zur Einkommenshöhe verteilt sind: nämlich ziemlich gleichmäßig. Reiht man die Erwerbstätigen nach ihrem Einkommen, tragen die Niedrigverdiener im Verhältnis fast gleich viel wie die höchsten Einkommensbezieher bei. Bei einzelnen Steuern, wie der Lohn- und Einkommensteuer, tragen hohe Einkommen zwar prozentuell mehr bei, die Mehrwertsteuer gleicht das aber wieder aus, da Ärmere einen höheren Anteil ihres Einkommens für Konsum ausgeben müssen. Unser Steuersystem verletzt so zentrale Grundsätze der Steuergerechtigkeit, denn höhere Einkommen sollten auch im Verhältnis mehr beitragen als niedrige Einkommen.

Ein weiteres Problem ist die ungleiche Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen. Während Erstere progressiv, also je nach Höhe, mit 0 bis 55 Prozent besteuert werden, sind für leistungslose Kapitaleinkommen, etwa Dividenden, nur 27,5 Prozent an Steuern zu bezahlen - egal, ob es sich dabei um 20 Cent oder 200 Millionen Euro handelt. Ein konkretes Beispiel: Während für ein Arbeitseinkommen von 100.000 Euro knapp 39.000 Euro an Steuern und Abgaben anfallen, sind es bei einem Kapitaleinkommen von 100.000 Euro nur 27.500 Euro an Steuern. Je weiter oben man sich in der Einkommensverteilung befindet, desto relevanter werden aber Kapitaleinkommen. Ganz an der Spitze machen sie fast das gesamte Einkommen aus, womit ihr Steuerbeitrag auf die Höhe der Kapitalertragsteuer schrumpft. Die Einkommen der Superreichen zeigen sich auch relativ unbeeindruckt von Krisen, wie für 2020 ausgeschüttete Dividenden im dreistelligen Millionenbereich für Dietrich Mateschitz oder Rene Benko beweisen.

Daraus folgt ein Teufelskreis, der zu einer immer ungleicheren Vermögensverteilung führt. Hohe Kapitaleinkommen, die schon jetzt den Reichsten zufließen, werden niedriger besteuert, wodurch deren Vermögen weiter wachsen und noch höhere Kapitaleinkommen generieren. Zusätzlich wird in Österreich Vermögenssubstanz kaum und die Übertragung durch Erbschaft gar nicht besteuert. Eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, würde Einkommen, die gleich hoch sind, auch mit demselben Steuersatz besteuern. Etwa, indem Arbeits- und Kapitaleinkommen gemeinsam versteuert werden müssen - und für höhere Einkommen ein höherer Steuersatz fällig wäre. Das könnte mittlere und niedrige Arbeitseinkommen ernsthaft entlasten. Gut für die Einkommensverteilung, gut für breite Teile der Bevölkerung und gut für die Wirtschaft.