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Werben um Werte

Von Thomas Goiser

Gastkommentare
Thomas Goiser ist Unternehmens- und PR-Berater. Er hat im Dezember 2021 einen mehrtägigen Field Trip zur Expo 2020 in Dubai absolviert und dabei rund 50 Pavillons und Länder-Auftritte besucht.
© Udo Schloegl

Die Systemkonkurrenten USA, China, Russland und EU versuchen bei der Expo 2022 in Dubai ihre Weltsicht zu vermitteln.


Bei der Expo 2020 in Dubai kann es untertags auch im Winterwetter noch recht warm werden. Also kühlen große Klimageräte vor einigen Pavillons (im Freien!) die Warteschlangen, Gäste werden aufgerufen, ausreichend zu trinken und Sonnenschutz zu verwenden. Und natürlich wegen Corona Mund und Nase mit einer Maske zu bedecken. Ähnlich wie in der Wiener U-Bahn (und anderswo) ist das allerdings nur schwer durchsetzbar, man hört bei den Teams der Pavillons immer wieder von Covid-Fällen in ihren Reihen.

Noch bis Ende März präsentieren sich hier 192 Länder auf dem 440 Hektar großen Expo-Gelände von ihren schönsten Seiten, hinzu kommen internationale Organisationen, Unternehmen, Initiativen und Partner. Die inhaltlichen Ziele und Schwerpunkte der Auftritte sind dabei sehr unterschiedlich, sie reichen vom Verbreiten (gesellschafts)politischer Vorstellungen über das Anziehen von Investitionen, Touristinnen, Arbeitskräften oder Studierenden bis hin zur Exportförderung.

Alles hier ist künstlich hergestellt und auf den Wüstensand konstruiert - vom Kunstrasen über Beschattung und Service bis zur (im Dezember) recht dominanten Weihnachtsdekoration. Großflächige digitale Displays strahlen mit der Sonne um die Wette, Bühne und Zuschauerraum sind auf dem Gelände größtenteils ident. Laut den Übersichtsplänen der Veranstalter können an einem durchschnittlichen Besuchstag bis zu 20 Pavillons angesehen werden können, allerdings gibt es gelegentlich mit mehrstündige Wartezeiten. Angesichts einer realistischen Verweildauer von jeweils 30 bis 45 Minuten sind die Pavillons entsprechend eingängig und kompakt gestaltet - hier trifft Nation Branding auf Edutainment. Besonders die führenden Weltmächte werben gezielt für ihre Werte und auch um Sympathien bei den erwarteten 25 Millionen Gästen, die überwiegend aus dem arabischen Raum stammen.

USA: Freiheit als Basis für Innovation

"Life, Liberty and the Pursuit of the Future" - ein abgewandeltes Zitat aus der Unabhängigkeitserklärung gibt den Takt für den Auftritt der USA auf der Expo vor. Die Freiheit als Basis, Toleranz, Diversität und vor allem Gleichberechtigung der Geschlechter unterstreicht gleich beim Eingang Vizepräsidentin Kamala Harris im projizierten Begrüßungsvideo. Ein Rollband führt die Besucher in exaktem Timing an den einzelnen Exponaten vorbei. Darunter befindet sich als starkes Zeichen auch eine zweibändige englischsprachige Übersetzung des Koran aus dem Besitz des dritten Präsidenten der USA, Thomas Jefferson.

Toleranz und Diversity, wohin man blickt: Nach Pionieren wie Alexander Graham Bell, Nicola Tesla, Henry Ford und Steve Jobs machen die Gäste auch mit Nasa-Astronautin Yvonne Cagle sowie der Nachwuchswissenschafterin und "Time’s 2020 Kid of the Year" Gitanjali Rao Bekanntschaft. Ganz im Sinne des innovationsgetriebenen Wettlaufs ins All sind auch Mondgestein und ein Mars-Rover ausgestellt, im Außenbereich ist ein 43 Meter hohes Modell einer SpaceX-Rakete zu sehen. Der Klimawandel als globale Herausforderung wird geringer, aber ebenfalls gut sichtbar adressiert.

Russland: Kooperation für Dialog und Moskau 2030

Der russische Pavillon ist ungewöhnlich, ebenfalls sehr groß und in fröhlichen Regenbogenfarben gehalten. Inhaltlich fokussiert man sich auf das Gehirn, das wir Menschen - trotz aller Unterschiede - gemeinsam haben. Die Gäste können hier diverse Arten von Erkennen und Interpretieren kennenlernen. Und da von der Mobilität der Gehirne die Ideen zur Lösung der Zukunft ausgehen, wird mit den "Mechanics of Wonder" zur Kooperation eingeladen. Eine Haltung, die sich in der aktuellen Außenpolitik nicht immer niederschlägt und angesichts von Sanktionen auch plausibel erscheint. Im Pavillon blicken die Gäste von rundherum auf eine Mega-Gehirnskulptur, die als Projektionsfläche der farbigen Animationen und auch als Selfie-Hintergrund dient.

Man kann den Pavillon auch als ein Bewerbungsschreiben für die mögliche Austragung der Expo 2030 in Moskau lesen, die Entscheidung dazu steht in den kommenden Jahren an. Im Erdgeschoß sind Modelle früherer Expo-Pavillons ausgestellt, teils noch aus der Zeit der Sowjetunion. Ein Verkaufsstand bietet Raketa-Uhren im gehobenen Preissegment. Etwas expliziter ist dann der Shop gehalten, wo unter anderem "Putin Team Russia"-Kleidung "for an active and healthy lifestyle" und Accessoires feilgeboten werden.

China: Einladung zur Zusammenarbeit

Der imposante China-Pavillon befindet sich gleich neben dem Österreich-Pavillon. Im Eingangsbereich hängt prominent ein Bild von Präsident Xi Jinping beim Staatsbesuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten als Referenz ans Gastland. "Opportunity" bedeutet hier vor allem die Einladung zur Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Macht in Wirtschaft, Handel und Verkehr. Und Nachhaltigkeit dient hier primär der wirtschaftlichen Entwicklung für ein harmonisches Zusammenleben. Entsprechend prominent präsentiert wird die "Belt and Road Initiative", aber auch Hochgeschwindigkeitszüge, Künstliche Intelligenz und natürlich alles, was mit den expansiven Raumfahrtplänen zusammenhängt, bekommt viel Raum. So gibt es neben Ausstellungsobjekten von Weltraummissionen auch visionäre Kinderzeichnungen von weiterer Expansion und Reisen auf fremde Planeten. Den Abschluss des China-Erlebnisses bieten Merchandising und landestypische Kulinarik.

EU: überwiegend virtuell (un)sichtbar

Wie einst US-Außenminister Henry Kissinger eine Telefonnummer Europas vermisste, so findet man auf dem Expo-Gelände keinen eigenen Pavillon der Europäischen Union. Stattdessen gibt es laut eigenen Angaben insgesamt 40 Events und Aktivitäten von EU-Institutionen, oft mit Schwerpunkt auf dem "European Green Deal". Einiges dazu ist online auffindbar, wird allerdings am Großteil der Gäste vorbeigehen. Für den Weltfrauentag Anfang März lädt die Website zu einem zweitägigen Symposium zu "Women Empowerment" ein, das jeweils einen Tag lang im italienischen und im französischen Pavillon zu Gast ist. Und Mitte März dann soll eine Konferenz zum europäischen Ansatz in Bezug auf menschenzentrierte Künstliche Intelligenz stattfinden.

Die Vielfalt der EU und ihre Werte werden allerdings vorwiegend durch die Mitgliedstaaten verkörpert, von denen manche auch eine EU-Fahne am Pavillon gehisst haben oder in anderer Form auf ihre Zugehörigkeit zur EU hinweisen. So liegt Deutschlands inhaltlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung von Energiewende, Klimaschutz und Technologien in einem eindrucksvollen Edutainment-Campus. Frankreich setzt auf die Ideen der Aufklärung und Innovationen in Energie und Verkehr. Räumlich verbunden sind die Pavillons nicht - von Österreich über Deutschland zu Frankreich dauert es zu Fuß eine gute Viertelstunde. Allerdings sind die wenigsten Gäste auf ihrem Kurzbesuch zielgerichtet unterwegs, Ablenkungen bieten sich laufend an. Gerade abends, wenn es etwas kühler ist, übernehmen am Expo-Gelände die Angebote für Unterhaltung, Kultur und Konsum.

Was bleibt da noch für Opportunity, Sustainability und Mobility übrig? Die drei Themen sind vor Ort vor allem als Visionen sichtbar und als manchmal Klischees bedienende und politisch-weltanschauliche Interpretationen erlebbar. Für die meisten der weiter angereisten Gäste ist die Expo nach einem oder zwei Tagen vor Ort und dem Kauf von Souvenirs (die oft gar nicht so sustainable sind) wieder vorbei. Für die Teams in den Pavillons dauert sie noch knapp zwei Monate. 2025 ist es dann in Osaka wieder so weit. Und auch dort wird es für die EU voraussichtlich schwierig werden, ihr inhaltliches Programm und ihre Werte zu präsentieren.

Mit der Corona-bedingt auf 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 verschobenen Expo 2020 in Dubai - der ersten im arabischen Raum - machen sich die Vereinigten Arabischen Emirate 50 Jahre nach der Staatsgründung quasi selbst ein Geburtstagsgeschenk. Thematisch wurde eine Aufgliederung in drei "Districts" getroffen: Opportunity, Sustainability und Mobility.

Der österreichische Pavillon im Opportunity-Bereich wurde in Anlehnung an Windtürme aus arabischer Lehmarchitektur gestaltet, unter dem Motto "Austria makes sense". Im iLab des Pavillons werden Kunst und Innovationen aus Österreich präsentiert (www.wko.at/site/expoaustria/de/besucher-info.html, www.expo2020dubai.com).