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Hilflos in die Energiepreisfalle

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Der einmalige Energiekostenausgleich von 150 Euro für fast alle Haushalte ist wohl teuer, aber nicht treffsicher.


Jeder fünfte Haushalt muss monatlich mit weniger als 1.400 Euro auskommen. Die jährlichen Energiekosten für Heizung, Warmwasser, Beleuchtung und Treibstoffe erfordern schon jetzt das verfügbare Einkommen eines Monats. Die derzeitigen Preisschübe bei Energie könnten dafür ein zweites Monatseinkommen beanspruchen, denn die einkommensschwächsten Haushalte haben oft zusätzlich die Lasten von schlecht gedämmten Wohnungen und langen Pkw-Fahrten zum Arbeitsplatz zu tragen. Dagegen kann jeder fünfte Haushalt, der mit einem rund sechsmal höheren Einkommen die einkommensstärksten Schichten repräsentiert, diese Herausforderungen wohl leichter bewältigen.

Um nach einer vergleichbaren Situation bei den Energiepreisen in der Vergangenheit zu suchen, muss mehr als vier Jahrzehnte zurückgeblättert werden. Damals war der Auslöser für die Preisschübe bei Energie die Abhängigkeit von den Lieferanten von Erdöl. Diesmal wird eine ähnliche Abhängigkeit bei Erdgas schlagend mit vielfältigen Folgeeffekten, die vor allem den Markt für Elektrizität betreffen. Wegen der hohen Importabhängigkeit befindet sich Österreich - wie die gesamte EU - in der Situation eines Captive Customer. Russland beispielsweise hat verständliches Interesse, diese Situation aufrechtzuerhalten.

Österreich schlittert wieder in die Energiepreisfalle. Dahinter stehen Entscheidungen, deren gravierende Fehler schon zum Entscheidungszeitpunkt absehbar waren, eine Situation die als kognitive Dissonanz benannt wird. Im Bereich von Energie sind es die fehlenden Konzepte für zukunftsfähige Strategien, die von allen Stakeholdern, von den Haushalten bis zu den mit Energie befassten Unternehmen voll mitgetragen werden. Dazu liefert das Regierungsprogramm bestenfalls Mosaiksteine, die aber nicht notwendigerweise ein stimmiges Gesamtbild ergeben.

Was könnte dennoch gemacht werden, um nicht voll der Energiepreisfalle ausgeliefert zu sein? Neben sofortigen Hilfen für die einkommensschwächsten Haushalte eine ähnliche Kampagne für ein persönliches Energiemanagement wie für die Covid-Impfung. Damit soll auf kurzfristige Kostenentlastungen von der aktiven Steuerung der Heizung bis zu überlegteren Wegen mit dem Pkw aufmerksam gemacht werden. Dann Projekte mit hoher Signalwirkung. Im Bereich des Wohnens solche wie die Anlage Mühlgrundgasse in Wien (mgg22.at), wo mit 130 Wohnungen hohe Wohnqualität verbunden mit Leistbarkeit demonstriert wird. Neue Konzepte für Niedertemperaturwärmenetze gespeist mit lokaler Erdwärme aus Tiefenbohrungen geben weitere Orientierungen für zukunftsfähige Bauten. Zusätzlich attraktiv sind die enge Anbindung an den öffentlichen Verkehr und jährliche Energiekosten, die bei einer Wohnung von 90 Quadratmetern nicht mehr als 180 Euro pro Jahr ausmachen. Durchaus das Fünffache wird dafür bei schlecht gedämmten Wohnungen fällig.

Stattdessen kündigt die Bundesregierung einen einmaligen Energiekostenausgleich von 150 Euro für fast alle Haushalte an. Diese Aktion aus der Werkzeugkiste der Instant-Politik ist mit rund 700 Millionen Euro wohl teuer, aber weder treffsicher und - wie sich herauszustellen beginnt - auch nicht administrierbar.

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