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Die Lotterie-Milliarde

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Zwei Bereiche werden mehr Geld brauchen: die Pflege und die Elementarpädagogik.


Zu Bildungs-Milliarde, Uni-Milliarde und Kindergarten-Milliarde ist ein weiterer Mega-Betrag hinzugekommen: die Lotterie-Milliarde. Mittel, die ursprünglich für die Durchführung einer Impflotterie budgetiert wurden, sind wieder "frei geworden". Viele Gruppen wurden schon als potenzielle Empfänger genannt. Das Geld einfach überhaupt nicht auszugeben, scheint hingegen keine Option zu sein. Angesichts der hohen Schulden und Defizite in den vergangenen Jahren ist das mindestens unverständlich.

Natürlich gibt es Berufsgruppen, die in der Pandemie besonders viel leisten und eine entsprechende Wertschätzung erfahren sollten. Und zweifelsohne gibt es Bereiche, in denen Österreich sich verbessern könnte. Das aber liegt nur selten an fehlendem Geld.

Österreich erreicht zum Beispiel im aktuellen Pisa-Test der OECD 491 Punkte, Finnland hingegen 516. In Finnland wird also sicher mehr in Bildung investiert, oder? Falsch: Österreich gibt knapp 11.000 Euro pro Schüler aus, Finnland keine 9.000. Oder die öffentliche Gesundheit: Dass uns aktuell zu wenige Spitalbetten zur Verfügung stehen, ist eindeutig dem wilden Verlauf der Pandemie geschuldet. In Europa haben sonst nur drei weitere Länder eine noch höhere Dichte an Spitalbetten pro Einwohner. Auch die laufenden Gesundheitsausgaben sind im EU-Vergleich in nur drei Ländern höher. Leben wir also länger und gesünder als die meisten anderen Menschen in Europa? Eigentlich nicht. Die Zahl der vermeidbaren Todesfälle in der Bevölkerung ist hierzulande gerade mal durchschnittlich, und zum Beispiel in der Schweiz, den Niederlanden oder Schweden signifikant geringer.

Was dieses Land braucht, ist keine neue Milliarde, sondern mehr Effizienz: Strukturreformen, die entweder Ersparnisse im bestehenden System oder deutliche Verbesserungen der Ergebnisse mit sich bringen. Die Lösungen sind bekannt. Die OECD etwa empfiehlt, die verfügbaren Mittel weg von kleinen Schulen auf dem Land hin zu jenen in Ballungsräumen umzuschichten: Dort gibt es die meisten Probleme. Zudem brauchen die Schulen mehr Autonomie in inhaltlichen und personellen Fragen, kombiniert mit standarisierten Leistungstests.

Im Gesundheitssystem muss mehr auf Prävention gesetzt werden, und es bedarf umfangreicher Änderungen im niedergelassenen Bereich. Eine Behandlung im Spital ist immer die teuerste Form der Versorgung - und wäre häufig unnötig. Das macht eine andere Abrechnung der Behandlungen nötig; auch eine verstärkte Hinwendung zur Telemedizin würde sich positiv auswirken, gerade im ländlichen Raum.

Zwei Bereiche werden trotz aller Effizienzpotenziale wirklich mehr Geld brauchen: die Elementarpädagogik und die Pflege. In der Bildung und der Betreuung der Kleinsten ist Österreich im internationalen Vergleich eher unterfinanziert - obwohl der Nutzen einer guten Elementarpädagogik die Kosten deutlich übersteigt. Und dank der demografischen Entwicklung werden immer mehr Leute immer älter. Ad-hoc-Lösungen, die auf ausländische Arbeitskräfte setzen, dürften bald nicht mehr reichen. Doch auch hier ersetzt eine Lotterie-Milliarde nicht die dringend nötigen Reformen für eine nachhaltige Finanzierung. Das könnten wir uns also sparen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.