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Der Preis des Lebens

Von Karl Pangerl

Gastkommentare
Karl Pangerl ist AHS-Lehrer und Unesco-Schulreferent in Oberösterreich.
© privat

Der ukrainische Widerstand ruft uns den elementaren Wert der Freiheit in Erinnerung.


Geburt, Liebe und Tod stehen für den Glauben an eine bessere Zukunft, die mit jedem Kinderlachen zur Welt kommt; für die Liebe, in der sich die Welt Tag für Tag erneuert; und für die Würde, die jedem Menschen innewohnt. Keine Rechtfertigung legitimiert den Verlust eines Menschenlebens. Ein Konflikt ist eskalierte Ratlosigkeit. Doch gerade ihr wohnt die Chance inne, im Gewahrwerden des zugrunde liegenden Widerspruchs diesen in eine neue Grundlage des Zusammenlebens zu verwandeln.

Wie sich Wladimir Putin verbeten hat, als Repräsentant der Russischen Föderation herabgewürdigt zu werden, erliegt er nun seinerseits dem Reflex, Europa und die Ukraine als nicht gleichwertig anzuerkennen. Doch so wie jeder Mensch gleich an Würde und Rechten geboren ist, gilt dies auch für jede Gemeinschaft, die sich aus freien Stücken als solche konstituiert.

Der Widerstand der ukrainischen Bevölkerung ruft einer durch die Geschichte dümpelnden westlichen Welt den elementaren Wert der Freiheit in Erinnerung. Unabhängig vom Ausgang dieses Dramas werden auch die russischen "Befreier" unter dem Eindruck des Widerstands ihrer slawischen Brüder mit vielen Fragen heimkehren, die das Land verändern werden.

Krieg gegen den Terror, Finanzkrise, Migrationsflut, Pandemie - und nun erwacht durch Brexit und Krieg Europa zu einer militärisch gestützten Sicherheits- und Verteidigungsunion. Im Namen kumulierter Alternativlosigkeiten scheinen die Farben von Humanität, Menschenrechten, Vielfalt, Demokratie, Offenheit und mit ihnen die Seele Europas zu verblassen. Wer aber keine Träume mehr hat, verliert mit der Verzauberung der Welt den Glauben an das Gute, an das Morgen, an sich selbst.

Ein übergeordneter Paradigmenwechsel liegt im Scheitern des Ansatzes, die Neuordnung der Welt dem freien Spiel der geopolitischen Kräfte zu überlassen. Vom Balkan über Libyen, Syrien und nun zur Ukraine - eine neue Weltordnung wird es nicht ohne einen entsprechenden Weltkongress geben. Nicht um territorialer Grenzziehungen willen, sondern auf einen Grundkonsens abzielend, welche Mechanismen künftig den Wettstreit der Interessen in friedliche Bahnen lenken.

Der Krieg um die Ukraine erweist sich als Ringen mit der eigenen Fragwürdigkeit. Kein Krieg kann Antworten auf deren vieldimensionale Komplexität geben, nur das Begreifen um die wechselseitige Bedingtheit und der Dialog, welchem im von Wertschätzung getragenen Sich-aufeinander-Einlassen jene Träume entspringen, die alle Beteiligten in die Zukunft zu tragen vermögen. Die Gefallenen dieser Tage werden im Sinne Ulrich von Weizsäckers mahnende Begleiter sein, den Wert von Ideen daran zu bemessen, wie wenige Menschenleben sie fordern.