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Wer hat im Lockdown die Betten gemacht?

Von Claudia Prudic

Gastkommentare
Claudia Prudic ist Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Absolventin des Masterstudiengangs European Studies der FH Burgenland. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind Gewaltprävention sowie Frauen und Geld (Informationen und eine Umfrage unter www.wendepunkt.or.at/geldheldinnen).
© privat

Trauen wir uns, die Sorgearbeit neu zu denken.


Zwei Jahre ist es nun her, dass die Corona-Pandemie die Welt auf den Kopf gestellt und uns gezwungen hat, vielen Aktivitäten und Anforderungen des täglichen Lebens von zu Hause aus nachzugehen. Wurde Homeoffice vor allem für berufstätige Mütter früher als Wunderwerkzeug propagiert, so belegt mittlerweile die internationale Forschung, dass Frauen zu den absoluten Verlierern der Krise zählen - trotz Homeoffice.

Aus der Literatur wissen wir, dass Faktoren wie ein hoher Bildungsabschluss, das Alter des jüngsten Kindes oder der Institutionalisierungsgrad der Beziehung mitbestimmen, wer zu Hause die Betten macht und die Pausenbrote schmiert. Als berufstätige Mutter von zwei Teenagern beschäftigte mich bereits im ersten Lockdown im Jahr 2020 folgende Frage: Besteht zwischen der Verfügbarkeit und den Nutzungsregeln von Homeoffice-Ressourcen und der Verteilung der zusätzlichen Sorgearbeit während der Pandemie ein Zusammenhang? Wird die Hausarbeit egalitärer zwischen allen Haushaltsmitgliedern verteilt, weil nun alle zu Hause sind und die Arbeit, die getan werden muss, sehen?

Wenig störungsfreie Zeit für Frauen im Homeoffice

In einem gemischten Forschungsansatz befragte ich für meine Masterarbeit im Frühling 2021 zwölf Expertinnen in einem Workshop und 430 Personen mittels Fragebogen - pandemiebedingt online. Die Ergebnisse der Umfrage zeigten zunächst, dass die Sorgearbeit während der vielen Lockdowns vor allem durch die Schulschließungen deutlich angestiegen ist. Übernommen haben diese Mehrarbeit überwiegend Frauen und Mütter, wobei verheiratete Mütter dabei am allerschlechtesten abschnitten.

Mütter teilten außerdem öfter die technische Ausstattung und den Arbeitsplatz mit Schulkindern und verfügten über weniger störungsfreie Zeit für ihre Erwerbsarbeit. Trotz guter Ressourcenausstattung und einem hohen Bildungsniveau verhielten sich die Befragten also noch immer gemäß traditionellen Rollenbildern. Oder anders ausgedrückt: Die Männer arbeiten konzentriert vor dem Laptop, während ihnen die Frauen die Kinder vom Hals halten.

Es scheint, dass sich bei der Nutzung von Arbeitsgeräten und Inanspruchnahme von Raum- und Zeitressourcen eine weitere Ausprägung von Geschlechterungleichheit auftut. Die vordergründigen Ursachen sind hinlänglich bekannt: Einkommensungleichheit, Segregation des Arbeitsmarktes und Teilzeiterwerbstätigkeit sowie traditionelle Geschlechterstereotype. Vor allem beim Thema Kinderbetreuung zeigt die Pandemie deutlich, wie einschränkend sich die Schließung von Schul- und Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Erwerbsarbeit insbesondere von Müttern ausgewirkt hat.

Europäische Union als Hoffnungsträger

Als Frau bin ich froh, in der EU zu leben - dieser Satz brauchte Zeit, um sich zusammenzufügen. Doch ich denke ihn nach zwei Jahren Pandemie und einem Krieg in Europa umso überzeugter. Die EU ist, trotz aller Verbesserungspotenziale und vermeidlicher Konstruktionsfehler, eine wichtige Verbündete im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit. Bereits 1957 wurde Geschlechtergleichstellung in den Gründungsverträgen fest verankert. Weitere Initiativen reichen von der Institutionalisierung eines Monitoring Boards (European Institute for Gender Equality) über die europäische Säule der sozialen Rechte bis hin zur Gender-Strategie der EU-Kommission.

Eine aktuelle gesetzliche Maßnahme ist die Work-Life-Balance-Richtlinie, die auf eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie abzielt und bis August 2022 in allen Mitgliedsländern umgesetzt sein soll. Auch der Europäische Gerichtshof spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung von Gleichstellung zwischen Männern und Frauen und hat wichtige Grundsatzurteile hinsichtlich der finanziellen Absicherung oder Anti-Diskriminierung gefällt.

Richtige Impulse, um Frauen und Wirtschaft zu entlasten

Lösungsansätze, die sowohl den Frauen als auch der heimischen Wirtschaft zugutekommen, liegen auf der Hand. Um Frauen zu stärken und erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, müssen sie von der unbezahlten Care-Arbeit entlastet werden. Auch der Tag einer Frau hat nur 24 Stunden. Wer in qualitative, leistbare und flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen und in den Pflegebereich investiert, spielt Frauen für den Arbeitsmarkt frei und setzt weitreichende Beschäftigungsimpulse am Arbeitsmarkt. Die Kinderbetreuung muss sich im Übrigen am Bedarf von Alleinerziehenden orientieren.

Halbe-halbe-Kampagnen können im besten Fall Bewusstsein schaffen für eine egalitäre Verantwortungsübernahme von Hausarbeit, Kinderbetreuung und der psychischen Belastung in der Partnerschaft. Sie sind aber keine effiziente Strategie für eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und eine Verringerung des Altersarmutsrisikos von Frauen. Aber der Ausbau der Kinderbetreuung ist nur ein erster, längst überfälliger Schritt. Die Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit muss tabufrei neu gedacht werden, und Lösungen müssen auch etwas kosten dürfen - nicht nur die Zeit von uns Frauen!