Zum Hauptinhalt springen

Darkness

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Die westliche Welt wird sich auf absehbare Zeit aus Russland zurückziehen


Der 24. Februar 2022 wird als ein düsterer Tag in die Geschichte eingehen. Mit seinem Angriffskrieg hat Wladimir Putin Zerstörung, Tod und Leid über die Ukraine gebracht und das bis zu diesem Tag existierende globale Wirtschaftssystem zertrümmert. Die Aggression gegen die Ukraine hat den letzten Nagel in den Sarg von Francis Fukuyamas "Ende der Geschichte" getrieben.

Die Überlegenheit des demokratischen und liberalen westlichen Gesellschaftsmodells wurde schon in den letzten Jahren von China, aber auch von Russland, in Frage gestellt, allerdings standen die wirtschaftlichen Vorteile globaler Wirtschaftsverflechtungen dabei stets außer Streit. Gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten galten als eine Art Versicherung gegen eine militärische Eskalation in politischen Konflikten zwischen eigenständigen Ländern. Heute ist klar: Wir haben uns geirrt.

Dieser Irrtum wird nicht ohne Folgen bleiben. Die breite Palette an wirtschaftlichen Sanktionen des Westens und die Bekundungen, sich von russischen Rohstoffen - hier vor allem Erdgas und Erdöl - wirtschaftlich unabhängig machen zu wollen, sind erste Anzeichen davon, wohin die Reise gehen wird. Wir dürfen auch nicht naiv sein und müssen einen realistischen Blick auf die wahrscheinlichste Zukunft werfen. Und die sieht finster aus: Der Kriegszustand in der Ukraine wird sehr lange andauern. Die menschlichen Verluste und der ökonomische Schaden in diesem Land werden enorm sein. Die harten Wirtschaftssanktionen sind gekommen um zu bleiben.

Die westliche Welt wird sich auf absehbare Zeit aus Russland zurückziehen. Im Westen, aber vor allem auch für die russische Bevölkerung, wird der ökonomische Schaden durch die Abschottung Russlands von den europäischen, nordamerikanischen und teilweise den asiatischen Märkten groß sein. Viele Geflüchtete werden auf absehbare Zeit kriegsbedingt nicht zurückkehren können oder das im Falle eines militärischen Sieges Putins aus politischen Gründen nicht wollen.

Andere Konflikte werden durch das zerstörte politische Verhältnis zwischen dem Westen und Russland an Schärfe gewinnen. Ein wirtschaftlich massiv geschwächtes Russland wird sich noch stärker in Richtung China orientieren, als Atommacht jedoch geostrategisch ein wichtiger und auf absehbare Zeit destruktiver Spieler auf der Weltbühne bleiben. China wird das wirtschaftliche Ungleichgewicht gegenüber Russland verwenden, um als "Alternativmodell" zur westlichen Demokratie geostrategisch noch weiter an Einfluss zu gewinnen. Als Folge wird es zu einer politischen und wirtschaftlichen Blockbildung in einem Ausmaß kommen, wie wir das seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr erlebt haben.

Die internationale Kooperation über diese "Bündnisse" hinweg wird kaum funktionieren und maßgebliche negative Folgen für das internationale Wirtschafts- und Handelssystem verursachen. Der 24. Februar 2022 markiert eine Zäsur. Die destruktiven Kräfte bestimmen das Weltgeschehen, oder mit den Worten von Bonnie "Prince" Billy: "But can you see its opposition comes rising up sometimes? That its dreadful imposition comes blacking in my mind? And that I see a darkness".

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.