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Wie der Krieg das Brot verteuert

Von Klaus Weyerstraß

Gastkommentare
Klaus Weyerstraß ist Ökonom am IHS und dort Sprecher für internationale Konjunktur und Außenwirtschaft.
© IHS

Die Gefahr einer globalen Nahrungsmittelkrise ist real.


Neben dem großen Leid, das der Krieg in der Ukraine der Bevölkerung zufügt, hat er auch Auswirkungen auf die globalen Nahrungsmittelpreise. Die Ukraine und Russland sind wichtige Exporteure von Getreide, die Ukraine auch von Ölsaaten. Bei Weizen entfallen auf Russland knapp 20 Prozent und auf die Ukraine rund 10 Prozent der weltweiten Exporte. Bei Mais hat die Ukraine einen Weltmarktanteil von 15 Prozent. Bei Gerste erreichen die Ukraine 15 Prozent und Russland 17 Prozent. Bei Sonnenblumenöl ist die Ukraine sogar für die Hälfte aller weltweiten Exporte verantwortlich.

Der Krieg gefährdet Produktion und Ausfuhr der landwirtschaftlichen Produkte auf mehrfache Weise. Jetzt im Frühling würden die Äcker bestellt, was angesichts der Kampfhandlungen kaum möglich ist. Darüber hinaus befinden sich sehr viele Menschen auf der Flucht vor dem Krieg, darunter vermutlich auch Landwirte. Zudem ist der Zugang zu den Schwarzmeerhäfen blockiert oder beeinträchtigt, was die Ausfuhr erschwert, selbst wenn die Erzeugnisse vorhanden sind.

Die ukrainische Regierung hat bereits reagiert und die Ausfuhr von Roggen, Gerste, Buchweizen, Hirse, Zucker, Salz und Fleisch bis Jahresende verboten. Am 4. März ver-
hängte die ungarische Regierung ein Exportverbot für Getreide. Russland könnte ähnliche Schritte erwägen, was weitreichende Konsequenzen für die globalen Nahrungsmittelpreise hätte. So ist bereits in den vergangenen Tagen der entsprechende HWWI-Preisindex auf ein Rekordhoch gestiegen. Am 9. März war er um 40 Prozent höher als vor einem Jahr und 27 Prozent höher als zu Jahresbeginn. Noch stärker war der Anstieg des Weizenpreises, der binnen Jahresfrist um 73 Prozent zulegte.

In Österreich dürften die Folgen höherer Getreidepreise dennoch überschaubar sein. So macht der reine Getreideanteil bei einer Semmel nur 2 Prozent und bei Brot rund 5 Prozent des Preises aus. Das gilt auch unter Berücksichtigung möglicher weiterer Kostensteigerungen. So sind die Ukraine und Russland bedeutende Exporteure von Grundstoffen für Düngemittel. Zudem macht sich sowohl bei der Düngerproduktion als auch bei der Bearbeitung der Äcker und beim Transport der Nahrungsmittel der kräftige Anstieg der Preise von Öl und Gas bemerkbar. All das heizt die Teuerung weiter an.

Aber hierzulande hat die Politik Spielraum, den Betroffenen unter die Arme zu greifen, etwa durch einen Teuerungsausgleich für Haushalte mit geringen Einkommen. Andere Teile der Welt sind vom Anstieg der Getreidepreise weitaus stärker betroffen. So bezieht Ägypten rund 70 Prozent des Weizens aus Russland und der Ukraine, der Libanon etwa die Hälfte. In diesen Ländern müssen Menschen auch einen weitaus größeren Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufbringen als in Österreich, und die Regierungen haben kaum finanzpolitischen Spielraum, dies abzufedern. Nicht zuletzt waren hohe Lebensmittelpreise ein Auslöser des Arabischen Frühlings.

Aktuell lässt sich kaum abschätzen, wie sich der Konflikt und damit die Nahrungsmittelproduktion sowie die Energiepreise entwickeln werden. Aber die Gefahr einer globalen Nahrungsmittelkrise und einer über längere Zeit hohen Inflation ist real.