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Von guten und schlechten Flüchtlingen

Von Ingrid Thurner

Gastkommentare
Ingrid Thurner ist Ethnologin, Publizistin im Bereich Wissenschaftskommunikation und Mitglied der Teilnehmenden Medienbeobachtung (www.univie.ac.at/tmb) am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien.
© privat

Diskriminierungen, Doppelmoral und Sippenhaft für Tote.


Es ist erfreulich, dass die EU und Österreich nicht zögern, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, dass die bürokratischen Hürden unverzüglich durch entsprechende Verordnungen aus dem Weg geräumt wurden, dass Hilfe rasch und effizient möglich ist. Weniger erfreulich ist die Ungleichbehandlung, die Geflüchteten zuteil wird. Drittstaatsangehörigen, Gastarbeitern etwa und Studenten, die zwar in der Ukraine einen Aufenthaltstitel haben, aber keine Staatsbürgerschaft, keine Ehepartner oder andere familiäre Verbindungen, sind zwar genauso gefährdet an Leib und Leben durch die Kriegshandlungen. Jedoch sind sie weit strengeren Bestimmungen unterworfen. Österreich ist hier ebenso restriktiv wie die Visegrád-Staaten - wieder einmal - und dies bei grüner Regierungsbeteiligung.

Auch die Asylsuchenden, die in den vergangenen Jahren aus Syrien, Afghanistan und dem Irak auszureisen gezwungen wurden, bekommen ein ganz anderes Bild von der Friedensgemeinschaft, als die sich die EU gerade feiert, ebenso die Vertriebenen, die an den Außengrenzen in Belarus und Serbien oder vor den Toren der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla auf marokkanischem Gebiet zu Tausenden ein elendes Dasein fristen.

Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl ist sich nicht zu schade, die Geflüchteten gegeneinander auszuspielen und - wie "meinbezirk.at" berichtet - einen Seitenhieb gegen junge Männer aus Afghanistan und Syrien zu platzieren, denn "genau diese belegen jetzt die Plätze, die die Flüchtlinge aus der Ukraine so dringend benötigen". Es wird also unterschieden zwischen guten und schlechten Flüchtlingen. Auch wenn es schwerfällt, es auszusprechen oder hinzuschreiben: Die guten, das sind die bleichgesichtigen, christlichen; und die anderen, das sind die nicht ganz so blasshäutigen, muslimischen. Es gibt dafür ein böses, wenn auch treffendes Wort: Rassismus.

Es ist auch unerträglich, dass Künstler und Sportler zu Stellungnahmen gegen den Krieg gezwungen werden, nur weil sie eine russische Staatsbürgerschaft haben. Wer von vornherein qua Nationalität unter Generalverdacht steht, Staatskünstler, Kriegsverherrlicher und Putin-Adorant zu sein, empfindet das als Menschenhatz. Auch dafür gibt es ein Wort: Sippenhaft - eine Kollektivhaft also. Aber in einem rechtsstaatlichen Verständnis von Schuld ist diese an individuelles Handeln gebunden. Zudem gilt in einer Beweislastumkehr nun die Schuldvermutung. Wer russischer Staatsbürger ist, muss erst einmal sein Nicht-Involviert-Sein beweisen und ein Bekenntnis gegen Wladimir Putins Krieg und für die Ukraine ablegen. Absurd wird es, wenn Veranstalter Stücke russischer Komponisten absetzen und Tote in Sippenhaft nehmen.

Zum Glück brachte es dieser Tage eine Persönlichkeit mit Gewicht auf den Punkt: Ai Weiwei, dessen Kunst zugleich Polit-Aktivismus ist. Im Rahmen seiner Personale in der Wiener Albertina modern warf er dem Westen Heuchelei und Zensur vor. Der Ukraine-Krieg bringt einige wenig schöne Seiten Europas so richtig gut zur Geltung.