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Elektrohändler in der Zwickmühle

Von Robert Pfarrwaller

Gastkommentare
Robert Pfarrwaller ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Rexel Austria. Das Unternehmen ist mit den Marken Regro und Schäcke sowie der Tochterfirma Comtech IT-Solutions führend im heimischen Elektrogroßhandel tätig.
© Rexel Austria

In der Preisspirale sollte öfter die Brille des Gegenübers aufgesetzt werden.


Vor knapp einem Jahr legte das Containerschiff "Ever Given" den Suezkanal für einige Tage lahm und zeigte die Fragilität des globalen Handelsstroms auf. Heute stehen wir immer noch vor denselben Herausforderungen und die globalen Transporte, sind nach wie vor beeinträchtigt, unter anderem durch die Containerschiffe. Gepaart mit steigenden Rohstoffpreisen, Transport-, Energie- und Personalkosten bilden diese Versorgungsengpässe ein Sammelsurium, das längst auch Österreichs Industrie, Gewerbe und Handel trifft. Ein Ende der Preisdynamik ist nicht in Sicht. Zu regelrechten Preisschüben kam es etwa bei Nicht-Eisen-Metallen (plus 42,4 Prozent) sowie bei Eisen und Stahl (plus 42,2 Prozent). Der Bestand von Kupfer markierte jüngst an der Londoner Börse mit 80.025 Tonnen ein Allzeittief beziehungsweise der Preis mit 9.875 Dollar pro Tonne ein Allzeithoch. Auch bei anderen für die Elektro- und Elektronikbranche wesentlichen Rohstoffen, wie PVC, Halbleiter und Öl sieht es ähnlich aus. Damit zogen auch die Großhandelspreise durchschnittlich um 15,5 Prozent an. Bei Kabeln gab es gegenüber dem Vorkrisenniveau sogar einen Anstieg von bis zu 50 Prozent. Damit verteuern sich sowohl private als auch gewerbliche Bauvorhaben.

Das Elektrogewerbe und der Elektrohandel können diesen Mix aus globalen Verwerfungen nicht länger alleine tragen, weshalb die Preissteigerungen nun nach und nach auch die Endkundkunden erreichen - und zwar in mittlerweile fast allen Bereichen der Elektrotechnik. Verständlicherweise stoßen diese Veränderungen bei vielen Konsumenten auf Unverständnis und Ärger.

Ein Detail, das dabei oft in Vergessenheit gerät: Die Nachfrage beziehungsweise das Produkt bestimmt den Preis. Im Grunde genommen befindet sich die Elektrobranche eigentlich in einer fantastischen Situation, allerdings eben mit diesem Wermutstropfen. Die Corona-Pandemie und das Bündel an Initiativen gegen den Klimawandel beziehungsweise für die Energiewende, allen voran der "Green Deal" der EU, haben einen Boom ausgelöst, dass insbesondere das Elektrogewerbe noch immer laufend vor der Herausforderung steht, die enorme Nachfrage zu stemmen - und das vor dem Hintergrund von zunehmendem Fachkräftemangel und einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld, in dem längerfristige Planbarkeit der Vergangenheit angehört. Immerhin sind intelligente Gebäude ein Wachstumsmarkt und versprechen nicht nur mehr Komfort, sondern auch eine effizientere Nutzung von Energie. Das Elektrogewerbe bietet dafür das Rückgrat. Aufgrund der Systemrelevanz hat die gesamte Elektrobranche trotz Pandemie weitergearbeitet und damit nicht zuletzt wirtschaftlich und gesellschaftlich für Stabilität gesorgt. Durch die aktuellen Preiserhöhungen kommen Gewerbe und Handel nun einmal mehr zum Handkuss und finden sich ungewollt zwischen zwei Fronten wieder.

Die globalen Wirtschaftsströme machen für Österreich nämlich keine Ausnahme. Die Nachfrage ist nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa, teilweise sogar global, sehr hoch. Das Management von Verfügbarkeiten und die damit einhergehende Volatilität der Preise für die gesamte Wertschöpfungskette ist zur größten Herausforderung geworden. Rexel Austria zum Beispiel hat seine Lagerkapazitäten um 20 Prozent im Vergleich zur Zeit vor Corona ausgebaut, um eine höhere Verfügbarkeit sicherzustellen. Gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Verständnis für die Situation des Gegenübers aufzubringen - egal ob Hersteller, Elektrogewerbe, Elektrohandel oder Endkundschaft -, ist in solch schwierigen Zeiten essenziell. Denn die aktuelle Situation wird sich zeitnah nicht ändern.