Zum Hauptinhalt springen

Handel schafft Wandel

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Eine Diversifizierung der Handelspartner muss Priorität haben. Und dafür braucht es Handelsabkommen.


Was selbst Hobby-Investoren verstehen, gilt auch für Volkswirtschaften: Es ist immer riskant, "alle Eier in einen Korb zu legen". Das haben wir schon zu Beginn der Pandemie erlebt, als es zunächst fast unmöglich war, irgendwo einen Mund-Nasen-Schutz aufzutreiben. Begriffe wie "Rationalisierung", "Regionalisierung" und "kürzere Wertschöpfungsketten" waren unsere täglichen Begleiter. Nun, zwei Jahre später, stehen wir wieder genauso da.

Die Abhängigkeit der europäischen und insbesondere der österreichischen Wirtschaft vom russischen Gas hat uns in eine sehr unangenehme Situation gebracht. Mit der Visite unserer Energieministerin in Katar muss man sich fragen, ob Gas aus dem Emirat unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten wirklich besser wäre als Gas aus Russland. Es ist kein Wunder, dass der Chor, der einen kompletten Ausstieg aus den fossilen Energien fordert, immer lauter und vielstimmiger wird.

Natürlich sollten überall, wo es möglich ist, andere Energieträger verwendet und die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien beschleunigt werden. Wer aber glaubt, dass wir mit einem Ausstieg aus fossilen Energien all unsere Probleme lösen, der irrt.

2020 importierte die EU Photovoltaik-Komponenten im Wert von über 9 Milliarden Dollar. Etwa drei Viertel davon kamen aus China. In Österreich wurden 2020 Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 340 Megawatt installiert - 290 Megawatt, also über 85 Prozent, entfielen auf Anlagen aus dem Ausland. Es wurden PV-Module im Wert von 340 Millionen Dollar importiert - davon Module für 120 Millionen aus China. Überhaupt exportierte China PV-Module für mehr als 23 Milliarden Dollar, das Zehnfache dessen, was aus Europa oder den USA kommt. Es sieht also ganz danach aus, dass mit der Energiewende die nächste Abhängigkeit auf uns zukommt. Hoffen wir, dass Europa aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Dazu würde auch die Erkenntnis gehören, dass eine Diversifizierung der Handelspartner Priorität haben muss. Und dafür braucht es: Handelsabkommen.

Die Verhandlungen mit Mercosur, dem gemeinsamen Markt Südamerikas, waren erfolgreich, wurden aber nicht umgesetzt; einzelne Länder blockieren weitere Schritte, um ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Gleichzeitig gründete China Ende 2020 mit 14 Ländern, darunter Australien, Japan und Südkorea, die größte Freihandelszone der Welt. Und wir in Europa wollen kein Handelsabkommen mit den USA? Gerade jetzt muss neben einer Wiederbelebung der Mercosur-Verhandlungen auch eine Neuauflage von TTIP diskutiert werden - und zwar nicht, weil das "den Großen" nützen würde. Im Gegenteil: Es sind die kleinen Länder wie Österreich, für die der Freihandel von höchster Bedeutung ist. Eine gemeinsame Wertegemeinschaft und gute Wirtschaftsbeziehungen mit den USA als wichtigstem Handelspartner sind und bleiben für die EU unentbehrlich. Die Marktzugangsasymmetrien im Handel und bei Investitionen mit China werden wir nur mit den USA beseitigen können. Wir brauchen ein "level-playing field", auf dem alle nach denselben Regeln spielen. Zur Disposition steht dabei immerhin unsere Unabhängigkeit - das sollten wir gebührend ernst nehmen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.