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Keine Angst vor dem Jahr des Tigers

Von Jimmy Chen

Gastkommentare
Jimmy Chen ist Portfoliomanager bei der internationalen Fondsboutique Comgest.
© Comgest

In Zeiten hoher Inflationsraten könnte sich China als Zufluchtsort für Investoren erweisen.


China startete heuer ins Jahr des Tigers. Trotz der Auswirkungen der Pandemie, der wirtschaftlichen Sanktionen der USA und der geopolitischen Lage gibt es im Land der Mitte zahlreiche Chancen für Wachstumsinvestoren. Die Inflation schnellt derzeit rund um den Globus nach oben. China, wo sie niedrig bleibt und die Geldpolitik gelockert wird, könnte sich als Zufluchtsort erweisen.

Die Pandemie hat auch Chinas Wirtschaft nicht verschont, jedoch zeigen sich die negativen Auswirkungen nicht so stark wie in anderen Ländern. Die zweijährige Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in den Jahren von 2019 bis 2021 liegt bei etwa 5 Prozent und somit niedriger als die jährliche Wachstumsrate des BIPs von circa 6 Prozent in den Jahren zuvor. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigten sich bei den lokalen Dienstleistungen, vor allem in der Gastronomie und in der Reisebranche, da bei einem lokalen Covid-19-Ausbruch strengste Kontrollen durchgeführt werden. Und Shanghai zum Beispiel ist nun überhaupt im Lockdown. Allerdings lässt sich auch Positives zur Pandemie vermerken, beispielsweise im Bereich Produktion und Export, da die große, gut integrierte inländische Lieferkette durch Corona weniger gestört wurde.

Wirtschaftskrieg zwischen USA und China

Die Folgen der wirtschaftlichen Sanktionen seitens der USA äußern sich für China vor allem in Form von höheren Zöllen für den Import von Waren. Dies betraf vorrangig die arbeitsintensive, preisgünstige Produktion und führte zu einer verstärkten Produktionsverlagerung ins Ausland. Wie bereits erwähnt, konnte China beim Ausbruch der Pandemie einen Teil des verlorenen Anteils an der Exportproduktion zurückgewinnen. Seitdem beginnen die USA jedoch zunehmend, den Export von Hightech-Teilen und -Ausrüstung (wie Halbleitern), Fusionen und Übernahmen sowie die Zusammenarbeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich einzuschränken.

Wie sich dies in vollem Umfang auswirken wird, lässt sich noch nicht feststellen. China versucht währenddessen, mit verschiedenen Initiativen gegenzusteuern: Einerseits wird versucht, sich stärker in die Wirtschaft von Ländern außerhalb der USA zu integrieren. Andererseits soll die wirtschaftliche Unabhängigkeit, vor allem bei Kerntechnologien wie Halbleitern, erhöht werden. Angesichts der Größe der chinesischen Wirtschaft, des anhaltenden Wachstums und der hochqualifizierten Arbeitskräfte wird dies wohl zu bewältigen sein.

Global gesehen wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zu China in den vergangenen Jahren immer herausfordernder, so gibt es positive und negative Aspekte. Die negativen liegen auf der Hand: weniger geistiges Eigentum, ausländische Direktinvestitionen und möglicherweise weniger Handel mit entwickelten Märkten. Zu den positiven Auswirkungen gehört die beschleunigte Entwicklung des heimischen Technologiesektors, einschließlich Software und Halbleiter.

Jedoch wollen lokale Unternehmen keine minderwertigen Produkte aus einheimischer Produktion verwenden, wenn sie im Ausland qualitativ hochwertigere kaufen können. Das Beispiel der Firma Huawei, die von der US-Regierung plötzlich von der globalen Lieferkette abgeschnitten wurde, war jedoch eine Warnung für alle chinesischen Unternehmen. Diese sind nun bereit, einheimischen Technologieanbietern eine Chance zu geben, auch wenn es wirtschaftlich nicht sofort Sinn macht. Nun stellt sich die große Frage, ob diese einheimischen Technologiezulieferer schnell genug preiswerte Produkte liefern können, sodass die Produktivität nicht beeinträchtigt wird.

Evergrande und der Immobilienmarkt

Als die Regierung im Jahr 2020 begann, die Immobilienpreise und die Verschuldung der Bauunternehmer zu stoppen, verschlechterte sich das Verhältnis im Laufe der Zeit. So gaben sie nicht viel nach, als der Markt im Jahr 2021 Spannung zeigte. Evergrande gehört zu den Top 10 der privaten Immobilienentwickler und ist vergleichbar mit Firmen wie Vanke, Country Garden oder Longfor. Das Unternehmen hat einen Anteil von 4 bis 5 Prozent am chinesischen Wohnimmobilienmarkt (gemessen am jährlichen Verkaufsvolumen).

Die Schuldenprobleme von Evergrande spiegeln im Großen und Ganzen wider, was sich auf dem chinesischen Immobilienmarkt abspielt. Die Probleme liegen auf der Hand: Die Hauspreise sind zu hoch, die Bauunternehmer sind zu stark fremdfinanziert, und lokale Behörden verkaufen Grundstücke zu immer höheren Preisen, um die heimischen Haushalte zu unterstützen. Die Regierung versucht immer noch, die Schuldenprobleme der Bauunternehmen sorgfältig zu bewältigen. Das Ziel ist dabei allerdings nicht, ihnen aus der Patsche zu helfen, sondern möglichst wenig soziale Unruhen zu verursachen.

Vielversprechende Wachstumsunternehmen

Insgesamt ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich die Intensität der behördlichen Regulierungsmaßnahmen aus dem Vorjahr heuer wiederholt. Das liegt nicht daran, dass das Vorantreiben des "Gemeinsamen Wohlstandes" vorbei ist, ganz im Gegenteil. Chinas Regierung verfolgt vielmehr das langfristige Ziel, immer mehr Bürgern den Zugang zu einem Lebensstil in der Mittelschicht zu ermöglichen. Obwohl "Gemeinsamer Wohlstand" von einigen ausschließlich negativ gesehen wird, bietet er für langfristige Anleger vielversprechende Möglichkeiten. Eine dieser Chancen liegt in Unternehmen, die sich mit ihren Produkten oder Dienstleistungen an Chinas Mittelschicht richten. Comgest zum Beispiel investiert in den Juwelier Chow Tai Fook, das chinesische Pendant zu Tiffany & Co, und in die Sportbekleidungsmarke Anta, einen sehr erfolgreichen Mitbewerber von Adidas und Nike.

Ebenfalls vielversprechend sind die Branchen Hightech und Healthcare. Mit starker staatlicher Unterstützung und dem Bestreben, China zu einem Hightech-Standort zu machen, haben sich chinesische Unternehmen technologisches Know-how in aufstrebenden Wachstumsmärkten wie der E-Mobilität angeeignet. Dank Spitzentechnologie und hochmoderner Produktion können die dynamischsten Marktteilnehmer große Teile des Marktes abdecken. Auch Chinas Healthcare-Markt entwickelt sich rasch weiter, nachdem sich die Führung in Peking das Ziel gesetzt hat, das öffentliche Gesundheitssystem zu verbessern.

Das Reich der Mitte hat die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich stark ausgebaut, um westliche Player einzuholen. So hat sich WuXi Biologics bereits zum größten Outsourcing-Partner der globalen biopharmazeutischen Industrie entwickelt, wenn es um die Entdeckung und Entwicklung biologischer Arzneimittel geht. Dank herausragender Erfolgs auf dem Exportmarkt erzielt es bereits 70 Prozent seiner Einnahmen außerhalb Chinas.