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Innovation und Geopolitik

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Österreich ist im Bildungssystem noch in alten Strukturen verhaftet.


Nächste Woche werden vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) Ergebnisse einer weltweiten Umfrage unter Führungskräften zu Qualität des Wirtschaftsstandorts veröffentlicht. Insgesamt erweist sich Österreich als attraktiver Standort für Unternehmen. Vergleichsweise schwach schneidet Österreich bei den ethischen Standards in der Politik, der räumlichen Mobilität der Arbeitskräfte, bei der Start-up-Finanzierung, der Verständlichkeit des Steuersystems oder der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kinderbetreuung und Altenpflege ab. Alles nicht überraschend und viel diskutiert. Besonders schlecht schneidet Österreich im westeuropäischen Vergleich bei der Vermittlung von Innovation und Kreativität durch das Bildungssystem ab.

Dazu ein Gedankenexperiment: Denken Sie an eine Lebensmittelfabrik im Jahr 1922 und an eine Lebensmittelfabrik im Jahr 2022, dann denken Sie an eine Schule im Jahr 1922 und heute. Ich vermute, Sie haben die Aussage dieses Experiments erfasst: Wir sind im Bildungsbereich in alten Strukturen verhaftet, Innovation und Kreativität sind in diesen Strukturen nur schwer zu fördern.

Viele, die eine klassische Schulausbildung in Österreich genossen haben oder ihre Kinder durch diese begleiten, werden dieses Ergebnis der Umfrage wohl nachvollziehen können. Um Innovation und Kreativität zu fördern, müssen wir eingetretene Pfade verlassen, lineares Denken mit vernetzten Denken ergänzen, Kinder nicht nur Gelerntes repetieren, sondern sie in einen Diskurs treten lassen und die Komplexität der Welt in die Klassenzimmer holen, aber diese auch regelmäßig verlassen, um die Welt draußen besser zu erfahren.

Warum sind Innovation und Kreativität so wichtig? Die Innovationsfähigkeit bestimmt maßgeblich die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Durch Innovationen - also die Entwicklung bzw. Anwendung von neuen oder verbesserten Technologien - kann die Herstellung von Waren oder Dienstleistungen verbessert und effizienter gestaltet werden: mit dem gleichen Einsatz an Ressourcen kann mehr produziert bzw. geleistet werden. Ein aktuelles - und das vermutlich zentralste - Anwendungsbeispiel für nötige Innovationstätigkeiten sind Forschung und Entwicklung in Umwelttechnologien. Eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft bei gleichzeitiger Wahrung und Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kann nur durch einen Boost an Innovationen gelingen.

Die aktuelle geopolitische Neuordnung zeigt uns, dass Eile geboten ist: Wir müssen raus aus den fossilen Energieträgern, die uns nicht nur politisch abhängig machen, sondern auch dazu beitragen, uns die Lebensgrundlage langfristig zu entziehen. Die Ökologisierung der Wirtschaft wird einen enormen Strukturwandel der Unternehmen nach sich ziehen. Untersuchungen zeigen allerdings, dass negativen Effekte umwelt- und klimapolitischer Maßnahmen durch die Forschung und Entwicklung umweltfreundlicher Verfahren und Innovationen in betroffenen Unternehmen großteils kompensiert werden können. Dafür brauchen wir Menschen, denen bereits in der Schule die Voraussetzungen für Innovation und Kreativität vermittelt wurden. Es ist Zeit, Schule neu zu denken.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.