Die Expedition unter dem Kommando des holländischen Kapitäns Jakob Roggeven war bereits etliche Wochen nach der Umrundung von Kap Hoorn im Pazifik unterwegs, als die Besatzungen der drei holländischen Schiffe "Arend", "Thienhoven" und "Africaansche Galey" erstmals Land sichteten. Mitten im südöstlichen Pazifik, auf 27°7’ südlicher Breite und 109°21’ westlicher Länge, ragte plötzlich eine felsige Insel vor den Seefahrern auf. Mehr als 3.500 Kilometer von der südamerikanischen Küste (Chile) und rund 2.000 Kilometer von der nächsten bewohnten Insel (Pitcairn) entfernt, lag ein Eiland vor ihnen, welches an mehreren Stellen eine charakteristische Steilküste aufwies.

Noch mehr waren die Seefahrer aber erstaunt, als sie erkannten, dass die Insel bewohnt war. Es war der 5. April 1722 als sich die Schiffe der fremden Küste näherten und die Rauchfahnen von Kochstellen bemerkten. Roggeven schrieb ins Logbuch, dass er dem unbekannten Land den Namen Paasch Eylandt (Osterinsel) gebe, da dieses am Ostersonntag von den Holländern für Europa entdeckt wurde. Er irrte sich, als er den 6. April ins Logbuch eintrug, was aber nichts daran ändert, dass der denkwürdige Tag der höchste christliche Feiertag jenes Jahres war.

Hermann Mückler ist Ethnologe und Professor an der Universität Wien mit den Regionalschwerpunkten Australien, Ozeanien und Asien-Pazifik. - © privat
Hermann Mückler ist Ethnologe und Professor an der Universität Wien mit den Regionalschwerpunkten Australien, Ozeanien und Asien-Pazifik. - © privat

Der erste Kontakt: Tote und Verletzte

Der Aufenthalt auf der Osterinsel sollte kurz und von tragischem Missverständnis geprägt sein. Die anschaulichste Beschreibung dazu lieferte der mitreisende, aus Rostock stammende Carl Friedrich Behrens, der an dieser Weltumseglung als Kommandant der Seesoldaten teilgenommen hatte und die erste Erwähnung und Beschreibung der Osterinsel lieferte. Stolz vermerkt Behrens, dass er der Erste war, der mit dem Landungstrupp die Insel betreten hatte, doch nur wenige Zeilen später beschreibt er, dass das Aufeinandertreffen mit den einheimischen Osterinsulanern, die sich selbst Rapanui nennen, unübersichtlich und auf beiden Seiten von großer Nervosität geprägt ablief, sodass es auf Seiten der Holländer zum Abfeuern von Musketen kam, was Behrens einigermaßen lakonisch mit den Worten "Hier wurden viele erschossen" kommentierte.

Vor 300 Jahren landeten die ersten Europäer auf der Osterinsel. 
- © Archiv

Vor 300 Jahren landeten die ersten Europäer auf der Osterinsel.

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Unterwerfungsgesten der geschockten Rapanui, die Geschenke brachten, um die Toten bergen zu können, sowie Gegengeschenke der Holländer, die angenommen wurden, dienten der Entspannung der Situation, es sollte aber für beide Seiten kein entspannter Aufenthalt mehr werden.

Wertvoll sind Behrens‘ Ausführungen zu den auf der Insel vorgefundenen Menschen, deren Lebensumständen und Kultur. Detailliert beschrieb er deren bescheidene Kleidung, deren Körperschmuck und die kargen Nahrungsmittel sowie die religiösen Praktiken, die sich u.a. in der Anbetung von hölzernen Figuren, die einen sogenannten Vogelmann darstellen, manifestierten. Darüber hinaus war Behrens der Erste, der die eingeschränkte Artenvielfalt, die sich bei der Fauna vor allem auf Vögel beschränkte, sowie die Vegetation beschrieb. Die berühmten, weltweit bekannten monumentalen Steinstatuen, die moai, erwähnte Behrens überraschenderweise nur am Rande.

Der aus Middelburg stammende Roggeven, der mit dieser Weltreise die Pläne seines Vaters, nämlich die Suche nach der Terra Australis incognita und verwertbaren Ressourcen umsetzen wollte und dazu von der Niederländischen Westindienkompagnie die Schiffe erhalten hatte, war selbst nur wenig an den Menschen und deren Kultur vor Ort interessiert. Seine nüchternen Tagebuchaufzeichnungen wurden erst über hundert Jahre später veröffentlicht und erlangten bei weitem nicht die Bedeutung, wie jene von Behrens.

Eine Leidensgeschichte ohne Ende

Als die Holländer am 13. April 1772 die Osterinsel verließen, war dies der Beginn des Kontaktes der polynesischen Bewohner mit den Europäern. Anfangs noch in großen Abständen, später häufiger, gelangten Schiffe mit unterschiedlichen Intentionen zur Insel. Die meisten dieser Kontakte sollten sich im Rückblick als fatal und von großer Tragik geprägt darstellen. Die später ankommenden Entdecker, Händler, Forscher und Abenteurer schleppten Krankheiten ein, beuteten die Insel und deren Bewohner aus und dominierten die Rapanui, die so zu Gefangenen auf der eigenen Insel wurden.

Vermutungen gehen davon aus, dass bereits Roggevens Aufenthalt bis dahin unbekannte Krankheiten eingeschleppt und zur Dezimierung der lokalen Bevölkerung beigetragen hat. Heute geht man davon aus, dass die Insel spätestens im zwölften nachchristlichen Jahrhundert von aus dem Westen von den Austral- und Gambierinseln kommenden Polynesiern besiedelt worden ist. Die berühmten moai genannten kolossalen Steinfiguren wurden vermutlich ab dem 13. Jhdt. und bis etwa zur Zeit der Ankunft der Holländer errichtet.

Roggeven und Behrens hatten bereits eine im Niedergang befindliche Kultur erlebt, die durch tribale Konflikte und Raubbau an den vorhandenen und nicht ersetzbaren Ressourcen ihre eigene Lebensgrundlage existentiell gefährdet und eine ursprüngliche Gesamtbevölkerung von weit über 10.000 Einwohnern auf rund 3.000 reduziert hatte. Sichtbarstes Zeichen dieser Abwärtsspirale war die fast vollständige Entwaldung der Insel, welche die Erosion begünstigte. Über die Ursachen gibt es mehrere Theorien, die aber alle von menschlichem Verschulden ausgehen, sei es das exzessive Fällen der Bäume und Palmen für deren Nutzung oder eingeschleppte Nagetiere, welche die Samen und Baumtriebe fraßen und damit ein Nachwachsen verhinderten.

Mehrere der "großen" Entdecker suchten gezielt die Osterinsel auf, um sich selbst ein Bild von den dortigen Gegebenheiten zu machen. Der britische Entdecker James Cook hatte das Eiland auf seiner zweiten Reise nach Ozeanien 1774 besucht, der legendäre (weil später verschollene) französische Entdecker Jean-François de La Pérouse gelangte 1786 zur Osterinsel. Eine kuriose Episode jener Begegnung war die Entwendung eines Dreispitz-Hutes von einem der Offiziere durch einen Rapanui, wobei man auf eine Verfolgung des Diebs verzichtete, dies aber im Reisebericht vermerkte. Eine der bekanntesten zeitgenössischen Darstellungen zur Osterinsel aber auch viele jüngere Darstellungen zeigen diese Situation.

Ausbeutung bis heute...

Die größte Katastrophe für die Rapanui stellte die Ankunft peruanischer Sklavenhändler dar, welche Ende 1862 einen Großteil der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung nach Peru verschleppte, um dort auf den Chincha-Inseln phosphathaltigen Guano schürfen zu lassen. Erst nach internationalen Protesten konnten einige wenige Rapanui zurückkehren, die jedoch durch ihre mitgebrachten Krankheiten eine weitere Dezimierung der Restinselbevölkerung auslösten.

In den 1870er Jahren lebten so nur noch rund 150 Rapanui, welche einer rigiden Kontrolle durch den schottischen Schaffarmeigner John Brander und dessen grausamen Verwalter vor Ort, dem Franzosen Jean-Baptiste Dutroux-Bornier, ausgeliefert waren. Durch die Ausweitung der Weideflächen waren die Ureinwohner der Insel praktisch daran gehindert, weite Teile ihrer eigenen Insel zu betreten. Als 1888 die Chilenen die Insel annektierten, gab es von dem gebrochenen Volk keinen Widerstand mehr.

Eines der beeindruckendsten Monumente im Londoner British Museum ist der Hoa Hakananai'a genannte moai, der von der Besatzung des britischen Schiffs "Topaz" 1868 mitgenommen wurde. Auch andere Länder nahmen gegen den Willen der Einheimischen moais nach Europa und in die USA mit. Dies waren nicht die einzigen materiellen Zeugnisse der überaus reichen Osterinselkultur, die Ende des 19. Jahrhunderts sukzessive gesucht und fortgebracht wurden.

Ethnologen und Archäologen kamen immer häufiger, um diese besondere Kultur, von der man so wenig wusste, zu erforschen. Doch jene, welche darüber hätten Auskunft geben können, waren bis auf eine Handvoll Leute durch die genozidartige Reduktion der Bevölkerung verschwunden. Der deutsch-chilenische Forscher Walter Knoche konnte 1911 als Letzter zwei Personen über traditionelle Praktiken, die Bedeutung bestimmter Figuren und orale Überlieferungen befragen und sich deren charakteristische Tätowierungen zeigen lassen.

Faktum ist, dass sich auch heute viele Fragen zur Osterinselkultur nicht mehr und vermutlich nie mehr klären lassen. So kann man sich bis heute die Bedeutung und den Transport der tonnenschweren moai-Statuen nicht restlos erklären. Mythen ranken sich auch um die sogenannten rongorongo-Schrifttafeln, die – wenn sie denn tatsächlich eine Schrift darstellen – die einzigen Zeugnisse einer Schriftkultur in Ozeanien darstellen würden.

Autonomie oder Unabhängigkeit

Die Chilenen, zu deren Staatsgebiet die Osterinsel bis heute zählt, hatten lange Zeit kaum ein Interesse an der Insel und deren Bewohnern. Erst der Diktator Augusto Pinochet erkannte die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Insel, die sich durch die erweiterte exklusive Wirtschaftszone ergab, und stattete ihr ab den 1970er Jahren mehrere Besuche ab. In jener Zeit begann auch der Tourismus zu boomen, nachdem man beim einzigen Ort der Insel, Hanga Roa, einen Flugplatz gebaut hatte. Seither stiegen die Touristenzahlen, aber auch jene von im Tourismus beschäftigen Chilenen so massiv an, dass die Rapanui, die sich zahlenmäßig wieder erholt hatten, nach wie vor eine Minderheit auf der eigenen Insel blieben.

Der Ruf nach einer Unabhängigkeit von Chile oder zumindest einer weitreichenden Autonomie ist bislang weitgehend ungehört verhallt. Die seit dem Ende der Diktatur wechselnden Regierungen waren je nach Ausrichtung mehr oder weniger geneigt, den Forderungen der Rapanui näherzutreten. Tatsächlich gab es aber deutliche Verbesserungen der Infrastruktur, der medizinischen Versorgung und der schulischen Ausbildung auf der Insel sowie geförderte Zugänge zu Bildung und Jobs am chilenischen Festland.

Auch innerhalb der Rapanui-Gesellschaft gibt es unterschiedliche Vorstellungen für einen Weg in die Zukunft. Neben einem Verbleib bei Chile oder einer Unabhängigkeit favorisieren manche auch eine engere, aber unrealistische Anbindung an das heute unter französischer Kolonialverwaltung stehende Zentralpolynesien, zu dessen indigener polynesischer Bevölkerung historische, sprachliche und kulturelle Verbindungen bestehen. Bei all diesen Fragen geht es auch darum, wer von den Einkünften aus dem Tourismus am meisten profitieren soll.

Die vielen Mythen, die sich bis um die Osterinsel ranken, lassen diese bis heute als mysteriös und spektakulär erscheinen, was insbesondere in der Populärkultur häufig aufgegriffen und weitergesponnen wurde. Die Osterinsel wurde damit weltweit zu einer Projektionsfläche für Sehnsüchte, Zivilisationskritik und Science Fiction-Phantasien.