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Bundespräsident, einmal anders

Von Manfried Welan

Gastkommentare
Manfried Welan ist seit 50 Jahren Verfassungspolitologe. Er war unter anderem in Wien ÖVP-Stadtrat und Dritter Landtagspräsident sowie langjähriger Rektor der Boku.
© Christoph Gruber / c.gruber@boku

Die Rolle des Staatsoberhauptes aus der Sicht eines Kandidaten-Flüsterers.


Von 1971 bis 2004 hatte ich die Ehre und das Vergnügen, die Kandidaten der ÖVP für die Bundespräsidentschaftswahl vorzubereiten. 1971 hatte ich mich auf Hermann Withalm eingestellt, Kurt Waldheim wurde aber der Kandidat. Bei meiner Darstellung des Bundespräsidenten auf Basis der Verfassung hörte er aufmerksam zu und stellte keine Fragen. Die Wahl gewann Franz Jonas, aber Waldheim wurde zweimal zum Generalsekretär der UNO gewählt.

Der nächste Kandidat war der Innsbrucker "Olympia-Bürgermeister" Alois Lugger. Das Briefing fand im Zuge eines opulenten Abendessens im Hotel Bristol statt. Ich erklärte auch die Notkompetenzen. Es fiel das Wort "Krisenmanager", das gefiel Lugger. Nach dem Abendessen begleitete ich ihn, und er freute sich sehr, dass er von Passanten begrüßt wurde. Am nächsten Tag fand eine Pressekonferenz statt. Lugger sprach gut. Er sagte abschließend: "Der Bundespräsident ist ein Krisenmanager." Ein Journalist fragte, wo denn die Krise sei. Da geriet Lugger ins Stottern.

1985 sollte ich wieder Waldheim briefen. Da ein von ihm befürworteter Versuch, ihn als gemeinsamen Kandidaten von SPÖ und ÖVP aufzustellen, nicht gelang, schlug ihn die ÖVP alleine vor. Erhard Busek präsentierte damals mein Buch über "Das österreichische Staatsoberhaupt" und sprach von der "Noblesse" des Amtes. Das Wahlplakat "Der Mann, dem die Welt vertraut", war gut, die Wählerumfrage war günstig. Der Gegenkandidat der SPÖ, Kurt Steyrer, den ich aus der Umweltpolitik gut kannte, meinte zu mir: "Sie können sich nicht vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man weiß, dass man verliert." Waldheim stellte mir wie 1971 keine Fragen, er war geradezu zurückhaltend.

Es folgte der ungewöhnlichste Wahlkampf, den Österreich je erlebt hat. Hubertus Czernin hat in "1986: Das Jahr, das Österreich veränderte" die Gesamtlage analysiert. Waldheim war von der Wucht der Auseinandersetzung überrascht. Er erklärte, er sei nie NSDAP-Mitglied gewesen und habe nur wie viele als Soldat seine Pflicht erfüllt.

Entsakralisierung und Entprivatisierung

Das Amt wurde durch diesen Wahlkampf entsakralisiert, das Leben seiner Träger entprivatisiert. Anlässlich seiner Angelobung fand Waldheim dann gute Worte: das "Niemals wieder!" gelte nicht nur dem Schrecken des Holocaust, sondern auch der Geisteshaltung des Antisemitismus. 1992 erklärte er, dass er zum Besten des Landes nicht wieder kandidiere.

Ich kam damals zur Überzeugung, dass das Amt des Bundespräsidenten überflüssig sei. In meinem Buch "Der Bundespräsident: kein Kaiser in der Republik" (1992) ist dies ausgeführt. Die Bundesverfassung von 1920 wollte ich, so wie es ja die Unabhängigkeitserklärung 1945 vorsieht. Oder eine Rückkehr zur Verfassung 1919, nach der der Parlamentspräsident ja auch Staatsoberhaupt war. Aufgrund der Staatsoberhäupter der EU und der österreichischen Entwicklung unter Thomas Klestil habe ich den Wert des Bundespräsidenten wieder eingesehen.

1992 erhielt ich von der ÖVP wieder die Einladung, "Unterricht im Fach Bundespräsident" zu erteilen. Busek hatte Klestil für das Amt vorgeschlagen. Dieser war im Gegensatz zu Waldheim offen und locker. Er erkannte, dass das Amt einen bunten Haufen von Einzelzuständigkeiten bietet, aber keine einheitliche Aufgabe. "Ein Verweser kaiserlicher Resterln" wollte er nicht sein, sondern ein aktiver und politischer Bundespräsident. Mit dem Slogan "Macht braucht Kontrolle" gewann er die Wahl.

Er regte gleich ein Buch über "Die Staatsoberhäupter der EU" an. Das Thema ist nach wie vor interessant. Bundespräsident und Regierungschef konkurrieren. Klestil konkurrierte mit Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel. Er wollte Österreich im Europäischen Rat vertreten. Aber die Staatsjuristen waren auf der Seite der Kanzler.

Klestil lud allerdings andere EU-Staatsoberhäupter ein und entwarf eine Art Präsidentenkonferenz. Er erkannte den Bundespräsidenten als Gegenpol und Kontrolle der Parteienherrschaft und setzte sich immer wieder für mehr direkte Demokratie ein. Auseinandersetzungen insbesondere mit anderen Machtträgern belasteten ihn sehr.

2004 wurde dann Benita Ferrero-Waldner, bis dahin Außenministerin, in einem Kreis um Nationalratspräsident Andreas Khol gebrieft. Sie war hochmotiviert und schrieb alle Ratschläge eifrig mit - die Wahl gewann jedoch der SPÖ-Kandidat Heinz Fischer.