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Mehr Budgetspielraum für die EU-Staaten

Von Georg Feigl

Gastkommentare
Georg Feigl ist Referent für öffentliche Haushalte sowie europäische und wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik in der AK Wien. Zudem ist er Redakteur des Blogs "Arbeit & Wirtschaft" und Mitorganisator des europäischen TUREC-Netzwerks gewerkschaftsnaher Ökonominnen und Ökonomen. Er studierte Volkswirtschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien.
© AK Wien / Lisi Specht

Es braucht eine Reform der wirtschaftspolitischen Grundlagen.


Ein Rückgang der Staatsschuldenquote war in der Vergangenheit eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele der EU. In den vergangenen Jahren setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass der sozial-ökologische Umbau und die dafür notwendigen öffentlichen Investitionen gerade für künftige Generationen ein viel wichtigeres Ziel ist. Zudem unterstrich die Pandemie, wie relevant budgetpolitischer Handlungsspielraum in Krisenzeiten ist. Der russische Angriffskrieg verdeutlicht den Investitionsbedarf, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern rasch zu reduzieren.

Die überwiegende Mehrheit der Ökonomen und europäischen Politiker ist heute der Meinung, dass eine Phase übertriebener Budgetkürzungspolitik wie 2011 bis 2013 verhindert werden muss. Wirtschaft, Beschäftigung und öffentliche Investitionen dürfen nicht abermals geschwächt werden. Um eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit zu verhindern, müssen die wirtschaftspolitischen Grundlagen reformiert werden.

Während sich der österreichische Finanzminister noch als Verteidiger restriktiver Budgetpolitik positioniert, startete seine niederländische Kollegin nun einen Vorstoß für eine Reform - überraschenderweise gemeinsam mit der spanischen Finanzministerin: Anstelle starrer numerischer Zielwerte aus dem wirtschaftlichen Kontext der 1990er Jahre soll künftig auf länderspezifische mittelfristige Ausgabenpfade umgestellt werden, die eine Abwägung mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen ermöglichen.

Um dem wirtschaftspolitischen Leitbild der amtierenden Europäischen Kommission gerecht zu werden, darf die Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung aber nicht beim Minimalkonsens stehen bleiben. Insbesondere das sogenannte Europäische Semester als zentraler Steuerungsprozess muss so umgebaut werden, dass es tatsächlich auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen abzielt. Folgende Grundsätze sollen dabei gelten:

UN-Entwicklungsziele (SDGs) als Ausgangspunkt;

Behandlung der EU-Mitgliedstaaten als Teil des europäischen Ganzen;

Finanzielle Unterstützung für die Erreichung der gesetzten Ziele (ähnlich wie beim neuen "Krisenfonds") statt Bestrafung von Abweichungen;

Offener Umgang mit Zielkonflikten, wie etwa der jährliche Investitionsbedarf für den Klimaschutz von mehr als 100 Milliarden Euro und eine Konsolidierungsverpflichtung von etwa 300 Milliarden Euro auf Basis der aktuellen Regeln;

Mehr Transparenz der Entscheidungen des Rates;

Mitentscheidung des EU-Parlaments.

Es liegt nun vor allem an den Staatsspitzen und Finanzministern der Mitgliedstaaten, eine auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen orientierte Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU zu unterstützen. Österreich blockiert die Reform derzeit mit dem Verweis auf die Schuldenlast für künftige Generationen. Doch der hohe Bedarf etwa an grünen öffentlichen Investitionen erfordert eine Erweiterung des Budgetspielraums in der EU, was damit im besonderen Interesse der künftigen Generationen ist.

Eine Langfassung dieses Textes ist als Policy Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik erschienen: www.oegfe.at/policy-briefs