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Neue Covid-19-Verordnung und neue Rätsel

Von Klaus Christian Vögl

Recht
Die Maske müsste auch im offenen Fiaker getragen werden - Absicht oder Versehen?
© adobe.stock / Leonhard Foeger / reuters

Aufgrund der entspannteren epidemiologischen Lage wird nicht mehr so intensiv in den Grundrechtsschutz eingegriffen.


Nun ist sie also da, seit 16. April, die neue Covid-19-Verordnung, die uns bis zum 8. Juli begleiten soll. Warum die nun deutlich verlängerte Laufdauer? Weil aufgrund der inzwischen entspannteren epidemiologischen Lage nicht mehr dermaßen intensiv in den Grundrechtsschutz eingegriffen wird. Aus diesem Grund beruht die Verordnung auch nur noch auf dem Covid-19-Maßnahmengesetz und nicht mehr zusätzlich auf dem Epidemiegesetz. Dass Letzteres im Titel des § 11 ("Grundsätze bei der Mitwirkung nach § 10 Covid-19-MG und § 28a EpiG") immer noch erwähnt wird, ist möglicherweise auf ein Versehen des uns leider nach wie vor unbekannten Redaktionsteams dieser Verordnungen zurückzuführen.

Die mit BGBl II 2022/156 veröffentlichte Elaboration nennt sich 2. Covid-19-Basismaßnahmenverordnung - 2. Covid-19-BMV. Weil diesbezüglich Anfragen eingelangt sind: Nein, die unterschiedlichen Betitelungen der Verordnungen folgen keinen offiziellen rechtlichen Vorgaben, sie stellen eine Art legistischer Belletristik dar.

In den umfangreichen "Allgemeine Bestimmungen und Begriffsbestimmungen" des § 2 werden die diversen G-Varianten durchgegangen, ohne dass die Begriffe "1 bis 3 G" mehr verwendet werden. Dass die sogenannte "weitere Impfung" (im Volksmund gerne dritter Sich genannt) nunmehr 365 Tage lang gilt, ermöglicht eine dahingehende Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Grünen Pässe.

Auch der in einem behördlichen Datenverarbeitungssystem erfasste und 24 Stunden gültige, leider häufig fehlerhafte, Antigentest zur Eigenanwendung begegnet in der Aufzählung, die allerdings nur noch im unmittelbaren Gesundheitsbereich (Krankenhäuser, Heime) von Relevanz ist.

Daten täglich überprüfen

Aber: Natürlich ist es jedem Unternehmer nach wie vor unbenommen, im eigenen Bereich strengere Regelungen vorzusehen, eingebaut in ein Präventionskonzept beziehungsweise eine Hausordnung. Und da können G-Nachweise natürlich ein, wenn auch aufwendig zu handhabender, Baustein sein.

Der Unternehmer ist unverändert zur Ermittlung personenbezogener Daten und der Daten zur Identitätsfeststellung ermächtigt, die aber aus Datenschutzgründen nicht vervielfältigt respektive gespeichert werden dürfen. Sollte daher das G-System pro-aktiv angewandt werden und ein Kunde regelmäßig oder gar täglich den entsprechenden Ort betreten, so sind die Daten an jedem einzelnen Tag zu überprüfen. "Und täglich grüßt das Murmeltier."

Die Maskenpflicht wurde eingeschränkt - etwa auf "Taxis und taxiähnliche" Betriebe wie Mietwägen mit Chauffeur, wobei uns hier gleich das erste aktuelle Frühjahrs/Sommerrätsel 2022 begegnet. Im Gegensatz zu den sonstigen, folgenden Fällen, wird hier nicht auf den Innenbereich abgestellt, sodass die Maske etwa auch im offenen Fiaker getragen werden müsste. Man fragt sich: Absicht oder Versehen?

Die auf www.gesundheitsministerium.at unter dem Button "Coronavirus: Rechtliches" veröffentlichten Amtlichen Begründungen gehen auf all diese Rätselfragen nicht ein, was allerdings nichts Neues ist. Am Rande sei hier erwähnt, dass die Amtlichen Begründungen immer wieder auf "fachliche Begründungen" verweisen, die jedoch nicht publiziert sind. Sollte sich dafür eventuell unser Verfassungsgerichtshof interessieren, der immerhin erzwungen hat, dass Begründungen für die Covid-19-Regelungen zu veröffentlichen sind?

Maskenpflicht besteht ferner außer in den Massenbeförderungsmitteln jeweils im geschlossenen Bereich auch in den von der Verordnung taxativ aufgezählten "sensiblen Bereichen", die vom Lebensmittelhandel, Einkaufszentren und Markthallen, Apotheken bis hin zu Fahrradreparaturwerkstätten reichen. Auch die "Sanitätsartikel" poppen hier wieder auf, sodass beim Kauf von Mullbinden Maske getragen werden muss, nicht aber bei der Anschaffung einer neuen WC-Muschel als "Sanitärartikel". Eigentlich logisch. Oder?

Das Ministerium übrigens und daher auch die Medien sprechen hier immer wieder gerne von Geschäften des täglichen Bedarfs, was meiner Meinung nach ein irreführender Begriff ist. Der Textilhandel etwa, wo ich mir neue Socken kaufe, ist hier nicht dabei, wohl aber Tierversteigerungen oder Notfall-Dienstleistungen, wobei Letztere hoffentlich nicht zum täglichen Bedarf zählen.

In Einrichtungen zur Religionsausübung, also etwa einer Kirche oder Moschee, besteht generell Maskenpflicht, wohingegen religiöse Zusammenkünfte komplett aus der Verordnung ausgenommen werden. Das heißt: Betrete ich eine solche Stätte alleine zu einer stillen Andacht, muss ich die Maske aufsetzen, bei einem Osterhochamt aber mit der zum Bersten gefüllten Kirche gilt die Covid-19-Verordnung nicht. Ist das verhältnismäßig? Und könnte/sollte man diesen Gesamtbereich im Hinblick auf den Grundrechtsschutz (Religionsfreiheit) ebenso wie die häusliche Privatsphäre nicht überhaupt außen vor lassen?

Sanktionslose Empfehlung

Ferner gelten "bei unmittelbarem Kunden- oder Parteienkontakt" die Masken-Bestimmungen auch für Betreiber, Inhaber und Mitarbeiter, sofern das Infektionsrisiko nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen minimiert werden kann. Was ist ein solcher "unmittelbarer" Kontakt? Eigentlich, nach grammatikalischer Interpretation, ein physischer, also etwa Händeschütteln. Das Ministerium hat das zuletzt wesentlich weiter interpretiert, was der Rechtssicherheit sicherlich nicht dient.

Außerdem bedeutet das unter Umständen, dass der Kunde im Supermarkt eine Maske tragen muss und sich dabei einem unmaskierten Angestellten gegenüber sehen kann. Ob dies das Verständnis für die Covid-19-Maßnahmen wesentlich fördern wird, mag die geneigte Leserschaft beurteilen.

"Darüber hinaus wird empfohlen, auch in geschlossenen Räumen von nicht vorstehend genannten Verkehrsmitteln, Betriebsstätten und sonstigen Orten eine Maske zu tragen", also eigentlich ohnehin überall. Was soll eine sanktionslose "Empfehlung" in einer staatlichen Verordnung? Möglicherweise könnte in einem Haftungsfall aus einem an sich straffreien Nichtbefolgen dieser Empfehlung ein Verschulden (Fahrlässigkeit) abgeleitet werden, es würde aber immer noch an der Rechtswidrigkeit mangeln.

Als einziger in der Verordnung geregelter Sondertatbestand begegnen einem im § 7 noch die "Zusammenkünfte". (Nacht)Gastronomie, Beherbergung, Dienstleistungen, Freizeit- und Kulturbetriebe, Sportstätten: Das alles ist aber nicht mehr explizit geregelt. Bis 500 Besucher beziehungsweise Teilnehmer gelten dabei abgesehen von den oben dargestellten allgemeinen Bestimmungen keinerlei Kautelen mehr: keine G-Kontrollen, keine Kontaktdatennachverfolgung, kein Mindestabstand, keine Maskenpflicht (nur die ominöse Empfehlung).

Bei Zusammenkünften von mehr als 500 Besuchern/Teilnehmern muss es allerdings nach wie vor einen Covid-19-Beauftragten und ein Covid-19-Präventionskonzept geben. Die Gesundheitsbehörde hat die Einhaltung der Konzepte stichprobenartig zu überprüfen. Das Covid-19-Präventionskonzept ist zu diesem Zweck während der Dauer der Zusammenkunft bereitzuhalten und auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen.

Präventionspflicht ohne Regelung

Allein: Eine Anzeige- oder Bewilligungspflicht gibt es nicht mehr - woher sollte die Behörde daher den Inhalt des Konzepts kennen? Es ist daher jedem Veranstalter zu empfehlen, für den Fall einer Stichprobenkontrolle Tisch und Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, damit die Beamten in Ruhe das Konzept studieren und danach beurteilen können, ob es auch eingehalten wird.

Hier begegnet einem jetzt die erstaunliche Erkenntnis, dass Covid-19-Beauftragter und Konzept für Zusammenkünfte nicht mehr näher geregelt sind, insbesondere gibt es die bisher immer normierten Mindestanforderungen an die Konzepte nicht mehr. Denn § 4 erfasst den Bereich nur noch für das Gesundheitswesen, und § 7 beinhaltet keinen Verweis auf § 4. Die ersten Veranstalter haben bereits angefragt, was das soll. Man rätselt auch hier: Absicht oder passiert? Und falls Absicht - mit welcher Begründung?

Wie sollen daher künftig Präventionskonzepte aussehen, und welchen fachlichen Anforderungen soll der Präventionsbeauftragte entsprechen, der immerhin eine haftbare "verantwortliche Person" nach § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz ist? Meine persönliche Empfehlung an alle gewissenhaften Veranstalter: Machen Sie es weiter wie bisher. In jedem Fall haben wir damit ein weiteres Frühjahrs/Sommerrätsel vor uns.

Ausnahme von der Ausnahme

Übrigens, was wieder zur Beruhigung beitragen dürfte:"Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich" bedürfen weder eines Konzeptes noch eines Beauftragten. Nach § 8 gilt unverändert als "Betreten" im Sinne dieser Verordnung auch das Verweilen. Es darf ergänzt werden: und wohl auch das Verlassen bis zum Ausgang.

Nach wie vor sieht § 9 diverse Ausnahmen vor, wobei jene - neue - des Abs. 1 Z 6 hervorsticht. Hier werden nämlich einerseits "sonstige Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Vollziehung" (was immer das im Detail bedeuten mag) komplett aus der Verordnung ausgenommen, allerdings gleichzeitig angeführt, dass eine Reihe von §§ der Verordnung doch anzuwenden sei: Genannt werden hier die §§ 3 Abs. 3 Z 1 (Maskenpflicht) und Abs. 4 (Maskenpflicht für Beschäftigte, außer Schutzmaßnahmen), § 9 (also der Ausnahmeparagraf selbst) Abs. 2 bis 5 sowie die §§ 10 bis 12 und 13 Abs. 4 (mögliche strengere Regelungen in Arbeitsstätten). Nehmen wir im Gedankenspiel hier nur exemplarisch den genannten § 9 Abs. 2 her, der also im Verwaltungsbereich doch gelten soll. Dort ist geregelt: "Bedingungen und Auflagen nach dieser Verordnung gelten nicht zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum". Was hat diese Ausnahme von der Ausnahme für einen Sinn, wenn die Covid-19-Verordnung in so einem Fall grundsätzlich ohnedies nicht gilt?

Der Autor dieser Zeilen muss an dieser Stelle gestehen, mit seinem Latein am Ende zu sein. Wer aus der geneigten Leserschaft trägt zur Lösung dieses Frühjahrs/Sommerrätsels bei?

Zuschriften bitte wie immer an klaus.voegl@gmail.com. Und herzlichen Dank im Voraus! Wir publizieren dahingehende Erkenntnisse gerne in den FAQs auf www.eventpool.at.

Ermächtigung an Behörden

Dass die Pflicht zum Tragen einer Maske nicht während der Konsumation von Speisen und Getränken gilt, verschafft uns zwar bei der Lektüre der Verordnung kurzzeitige Erleichterung, doch schon naht das nächste Rätsel: Maskenpflicht besteht auch nicht "während der Sportausübung", also zum Beispiel in einem Reha-Zentrum. Das ist gut gemeint: Aber wäre es nicht sachgerechter, hier generell von "körperlicher Anstrengung" zu sprechen, wie dies seinerzeit inzwischen längst verblichene Landes-Ergänzungs-Verordnungen vorgezeigt hatten?

Im abschließenden § 13 ("Inkrafttreten, Außerkrafttreten und Übergangsrecht") findet sich ein letztes Rätsel: "Am Ort der beruflichen Tätigkeit können in begründeten Fällen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Covid-19 über diese Verordnung hinausgehende, strengere Regelungen vorgesehen werden."

Abgesehen davon, dass diese Ermächtigung nicht ganz unter den Titel des § passt, fragt man sich: Wer wird hier angesprochen? Wir dürfen annehmen, dass dies eine - in der gesamten Covid-19-Verordnung übrigens einzigartige - Ermächtigung an die Gesundheitsbehörden darstellt, im begründeten Einzelfall bescheidmäßig solche strengeren Auflagen zu erteilen. Man fragt sich allerdings abschließend: Warum gilt das nur für Arbeitsstätten?

Wien hält in seiner 2. Wiener Covid-19-Basismaßnahmenbegleitverordnung (LGBl 2022/16) nur noch eine einzige Abweichung von der Bundesregelung parat: Für Personen vom vollendeten sechsten Lebensjahr bis zur Vollendung des zwölfen Lebensjahres gilt, nicht allerdings in unserem Betrachtungsbereich, eine Verpflichtung zur Vorlage eines PCR-Tests.

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