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Die US-Zinsentwicklung deutet in Richtung Rezession

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien bei der Steiermärkischen Sparkasse.
© www.schubiduquartet.com / www.thomasraggam.com / Thomas Raggam

Allen US-Rezessionen in den vergangenen fünf Jahrzehnten ist eine inverse Zinskurve vorausgegangen.


Zinsen sind wichtige Indikatoren für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Aus der aktuellen Zinskurve lassen sich in den USA, die Europa im Konjunkturzyklus derzeit ein wenig voraus sind, bereits erste Anzeichen einer Rezession ablesen. Schuld daran ist die inverse Zinskurve: Die kurzfristigen Marktzinsen sind höher als die langfristigen.

Grundsätzlich unterscheidet der Markt drei Zinskurven: eine normale, eine flache und eine inverse. Bei der normalen ist der Zinssatz für kürzere Fristen niedriger als für längere Laufzeiten. Das folgt der allgemeinen Logik, dass jemand mehr Zinsen für sein Geld haben möchte, je länger er dieses verborgt. Eine flache Zinskurve stellt sehr oft nur kurzfristig den Übergang von normaler zu inverser Zinskurve dar, bei der die Marktteilnehmer für kurzfristige Ausleihungen mehr Zinsen verlangen können als für lange Laufzeiten. Diese ist eher selten und oft ein Vorbote einer Rezession. Die Kurven errechnen sich aus der Differenz der kurz- und langfristigen Zinssätze. In der Regel werden dafür die Zwei- und Zehnjahressätze herangezogen.

In Deutschland, Europas wirtschaftlichem Kernland, steigen die Zinsen derzeit ziemlich parallel in allen Laufzeitbereichen absolut um rund einen Prozentpunkt. Anders in den USA, wo die Zweijahreszinsen binnen eines Jahres deutlich stärker als die Zehnjahreszinsen stiegen. Dort ist die Zinskurve aktuell sehr flach, kurzzeitig war sie bereits invers.

Grundsätzlich kann man dies als Misstrauen in eine kurzfristige positive Entwicklung der Wirtschaft interpretieren, da die Marktteilnehmer das kurzfristige Risiko offenbar höher einschätzen als jenes für länger laufende Investments. Die Notenbanken versuchen dabei - bereits der wirtschaftlichen Entwicklung hinterherhinkend -, die Konjunktur aufgrund höherer Inflationserwartungen abzukühlen, und dürften längerfristig die Leitzinsen wieder senken, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Allen Rezessionen der US-Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahrzehnten ist eine inverse Zinskurve vorausgegangen, die jüngste 2007, also kurz vor Ausbruch der Finanzkrise.

Eine Rezession wirft in der Regel ihre Schatten an der Börse voraus. Dort werden die Probleme der Realwirtschaft frühzeitig erkannt und die Rückgänge der Unternehmensgewinne vorweggenommen. Die Kursverluste während oder kurz nach einer inversen Zinskurve sprechen eine klare Sprache: 1973/74, zu Zeiten des Ölpreisschocks, verlor der US-Aktienmarkt 40 Prozent; im Herbst 1978 waren es 10 Prozent, 1980/81 gaben die US-Aktien im Schnitt um 30 Prozent nach und 1990 um bis zu 17 Prozent. Im August 1998 folgte zwar keine Rezession, dafür sanken die Kurse um 15 Prozent. Sehr oft wurden diese Entwicklungen durch exogene Ereignisse - so wie nun die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg - ausgelöst.

Inverse Zinskurven sind also ein wirtschaftlich unlogisches Szenario, das nur selten auftritt und wenn, dann nur für kurze Zeit. Anleger sollten besonnen bleiben und den persönlichen Risikoappetit selbstkritisch prüfen. Die Zeit der Qualität und der verstärkten Diversifikation ist angebrochen.