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Händeringend nachgefragt, aber schlecht bezahlt

Von Jakob Sturn

Gastkommentare
Jakob Sturn ist Ökonom am sozialliberalen Momentum Institut.
© Momentum Institut

Der Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge aus der Ukraine ist nicht frei von Hürden.


Rund 60.000 ukrainische Geflüchtete sind laut Innenministerium bereits in Österreich registriert. Die Grundsicherung zahlt nur wenig Geld aus, also werden viele über kurz oder lang nach bezahlter Arbeit suchen. Während Flüchtlinge aus anderen Kriegsregionen der Welt teilweise jahrelang auf ihren Asylbescheid warten, gewährt die EU Ukrainerinnen und Ukrainern rasch und unkompliziert Zugang zum Arbeitsmarkt. Qualifikationen bringen sie mit: In der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen haben fast 57 Prozent einen Hochschulabschluss, das sind um 15 Prozentpunkte mehr als unter 30- bis 34-Jährigen in Österreich.

Freuen können sich Unternehmer, die sich über fehlendes Personal beklagen. Zwar gibt es österreichweit mehr als doppelt so viele Arbeitslose wie offene Stellen. Doch in einigen Tourismusregionen im Westen Österreichs ist das Jobangebot sehr groß: In Salzburg gab es im März mehr offene Stellen als Arbeitslose. Theoretisch müssten ukrainische Arbeitskräfte und österreichische Betriebe also zueinander finden.

Einen großen Haken gibt es aber: Das Interesse an Arbeitskräften ist groß, die angebotenen Löhne sind jedoch extrem niedrig. Etwa 1.500 Stellen werden derzeit beim AMS explizit auch für Ukrainerinnen ausgeschrieben. Der Großteil davon im Niedriglohnsegment der Gastronomie und Hotellerie. Ein Viertel der Stellen bietet ein Mindestgehalt von weniger als 1.700 Euro brutto, mehr als die Hälfte unter 1.800 Euro. Einige der offenen Stellen sind sogar unter dem bindenden Mindestlohn laut Kollektivvertrag ausgeschrieben. Oft, weil die Einstufung des Berufes falsch ist. Einer Restaurantfachfrau - eine Kellnerin mit abgeschlossener Lehre - wird zum Beispiel das Mindestgehalt einer angelernten Servicekraft geboten.

Bieten Unternehmen trotz ihres ständigen Rufes nach Fachkräften keine höheren Löhne, wird dieser unglaubwürdig. Die Situation birgt gar die Gefahr, dass manche Unternehmen die Not der Geflüchteten ausnutzen, um Arbeitskräfte möglichst billig unter ihrem Wert anzustellen. Sprachbarrieren und mangelnde Erfahrung mit dem österreichischen Arbeitsrecht machen es für Ukrainerinnen schwierig, sich gegen ungesetzliche Arbeitsbedingungen zu wehren. In den kommenden Monaten wird das Arbeitsinspektorat genau hinschauen müssen, damit kein Lohndumping betrieben wird.

Neben einem geringen Lohn sind Ukrainerinnen auf ihrem Weg zum Arbeitsmarkt mit einer weiteren Hürde konfrontiert: dem unzureichenden Kinderbetreuungsangebot. Bisher kommen vor allem Frauen mit Kindern in Österreich an. Um arbeiten zu können, brauchen sie Kinderbetreuung. Das wird vor allem auf dem Land zum Problem bei einer Vollzeitstelle. So ist in Tirol nur ein Viertel der Kindergärten mehr als zehn Stunden pro Tag geöffnet. Da müssen die Gemeinden nachbessern. Aber auch Unternehmen könnten sich zusammenschließen und betriebliche Angebote schaffen. Von den 1.500 analysierten offenen Stellen war das nur bei einer einzigen der Fall. Politik und Arbeitgebern bleibt noch viel zu tun, damit die Aufnahme geflüchteter Ukrainerinnen ins Erwerbsleben gelingt.