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Schöner Samstagnachmittag

Von Irene Prugger

Gastkommentare

Über den Versuch, in Krisenzeiten unbeschwerte Stunden zu verbringen.


Irene Prugger, geboren 1959, Schriftstellerin und freie Journalistin, lebt in Mieming, Tirol.

Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin", sagte unsere friedensbewegte Altachtundsechzigerin und wir lächelten mitleidig, denn solche Parolen hatten wir uns selbst einmal auf die weißen Fahnen geschrieben, die wir dann in den Wind of Change hängten, wobei der Wandel auch ein "Wandel durch Handel" hätte sein sollen.

"Stell dir vor, es drohen Diktatur und Unterdrückung und niemand wehrt sich", sagte unser friedensbewegter Altachtundsechziger, und schon waren wir thematisch mitten in der unsäglichen militärischen Spezialoperation, denn von Krieg hatte an diesem schönen Samstagnachmittag im frühlingsblühenden Gastgarten niemand reden wollen.

"Eine freudlose Zeit", seufzte jemand an unserem Tisch, und jemand anderer bemerkte, selbst Freud wäre mit seiner Analyse an diesem skrupellosen Machtmenschen (den Namen Putin wollte an diesem schönen Samstagnachmittag niemand in den Mund nehmen) gescheitert.

Aus den Augenwinkeln sah ich Kinder im Sandkasten spielen. Im Vorbeigehen hatte ich gesehen, dass sie eine kleine Stadt bauten, mit einer Burg in der Mitte und vielen Straßen, die sie mit kleinen Autos befuhren und mit Playmobilfiguren bespielten. Nun näherte sich ein Bub, in den Händen zwei große Bagger mit Riesenschaufelzähnen. Eines der städtebauenden Mädchen rief: "Geh weg!" Aber der Bub grinste nur und trat einen Schritt näher. Ich überlegte, ihm die Bagger aus der Hand zu nehmen. Aber er war nicht mein Kind und überhaupt konnte ich mich hier nicht aufführen wie eine hysterische Übermutter und ihn entwaffnen, bevor er sich noch als Aggressor gezeigt hatte.

Die Kinder traten in Verhandlungen mit ihm und wiesen ihm einen Abschnitt im Sandkasten zu, wo er mit seinen Baggern fuhrwerken konnte. Falsche Entscheidung, dachte ich, ganz falsche Entscheidung. Wir hatten an diesem schönen Samstagnachmittag weder über Krieg noch die Klimakatastrophe reden wollen, aber dann sprachen wir über die schöne Natur und jemand legte konkrete Zahlen auf den Tisch, wie sehr Kriege die Umwelt belasten und die Menschheit auch in dieser Beziehung weit zurückwerfen, während der Klimawandel - der nicht mehr mit sich handeln lässt - kein bisschen zurückgeworfen wird. Zum Schluss fiel ein Insekt in ein Bierglas, das wir wortlos retteten, denn niemand wollte an diesem schönen Samstagnachmittag auch noch über das Insektensterben reden.

Beim Zahlen mussten wir tief in die Geldbörse greifen, denn unser Wirt ist ebenfalls Opfer der Preisspirale, wie er uns vorrechnete, obwohl wir darüber eigentlich gar nicht hatten reden wollen. Wenigstens die Kinder spielten noch immer friedlich, allerdings gruben die Riesenbagger bereits einen Riesentunnel, der das Fundament der auf und aus Sand gebauten Stadt ernsthaft bedrohte.

Das war letzten Samstag. Diesen Samstag versuchen wir erneut, einen entspannten Nachmittag mit unseren Freunden zu verbringen.