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Putins Pazifisten

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Wer sich gegen Unterstützung für die Ukraine stellt, macht sich zum Handlanger des Kreml.


Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass fast all jene, die noch vor kurzem die Pflicht, an manchen Orten eine Maske zu tragen, für den Anfang einer Diktatur gehalten haben, heute ins Lager der Wladimir-Putin-Relativierer gewechselt sind und nun gerne öffentlich raunend rätseln, ob es wirklich eine gute Idee sei, der Ukraine Waffen und Geld zu liefern, statt sie einfach Putin zum Fraße vorzuwerfen. Weshalb ja auch auf den noch verbliebenen Schwurbler-Demos jede Menge russische Fahnen geschwungen werden; da wächst wohl zusammen, was zusammengehört.

Gerne tarnt sich diese - Putins Interessen zu 100 Prozent bedienende - Forderung, die Ukraine möge doch bitte nicht so zickig sein und einfach aufgeben, und der Westen solle sie doch bitte dorthin schubsen, hinter der Maske des Pazifismus. Für Frieden ist ja schließlich jeder. Und damit das nicht gar so naiv daherkommt, wird von diesen Leuten dann auch immer die Notwendigkeit einer "diplomatischen Lösung" - statt Waffenlieferungen - betont, noch dazu, wo Europa sich ja bekanntlich so auskennt mit dem Frieden.

Nur leider gibt es in der Geschichte der Menschheit keinen einzigen Fall, in dem ein entschlossener militärischer Aggressor mit den Methoden des Pazifismus - von diplomatischer Vermittlung bis gut zureden - hätte gestoppt werden können. Militärische Aggression, wie Putin sie heute betreibt, wurde immer, ausnahmslos immer dadurch beendet, dass sie militärisch besiegt wurde - oder eben selbst siegte. Dadurch, dass die Angegriffenen die Waffen wegwerfen und zusammen "We shall overcome" singen, wie das manchen Pazifisten offenbar vorschwebt, ist noch kein Aggressor zurückgeschlagen worden. Nicht einmal dann, wenn die Pazifisten auf der ganzen Welt die Farben des attackierten Staats neben ihren Facebook-Kopf pappen, um "ein Zeichen zu setzen".

Jene Pazifisten, die heute verlangen, die Ukraine möge aufgeben und der Westen möge ihr nicht militärisch zu Hilfe eilen, hätten dieser Logik folgend den USA nach Pearl Harbour raten müssen, Japan den Bundesstaat Kalifornien freiwillig zu überlassen, um weiteres Blutvergießen oder gar einen Weltkrieg zu vermeiden. Und sie hätten im Jugoslawien-Krieg den serbischen Kriegsherrn Slobodan Milosevic ungestört weiter Genozide durchführen lassen müssen, um jede militärische Konfrontation zu vermeiden (was übrigens ein besonders gutes Beispiel dafür war, wie gut Europa "Frieden kann", wenn es einmal darauf ankommt; da muss dann schon die - im pazifistischen Milieu ja nicht sonderlich beliebte - Nato ran).

Manchmal, das lehrt uns die Geschichte glasklar, auch ohne das Beispiel Adolf Hitlers zu zitieren, gibt es eben leider keinen anderen Weg als schiere Gewalt, um sich einer gewalttätigen Aggression engegenzustellen. Gegen einen üblen Typen mit einer Waffe hilft manchmal nur ein Guter mit einer Waffe, pflegen die Amerikaner diese Erkenntnis zu formulieren. Wer das bestreitet oder gar hintertreibt, sei es medial oder politisch, macht sich letztlich zum nützlichen Idioten Putins auf Kosten der Ukrainer, die den Preis dieser Haltung entrichten müssten.